Aglaia Embacher über eine „Volksbefragung“ im Atelier, zwei Söhne namens Jakob und drei Grazien.
Also ganz leicht zu finden ist das Atelier des Maestro Embacher nicht. Vielleicht liegt es an jenem Tag am Schneegestöber, dass mich blind werden lässt für den großen Schriftzug „Kunstwerk“ auf dem Gebäude am Mauthfeld in St. Johann. Oder an der fehlenden Türbeschriftung. „Die kommt noch“, versichert Aglaia Embacher lachend. Was sich hinter der Tür auftut, ist auf jeden Fall erstaunlich. Eigentlich ist die sieben Meter hohe Halle eine Werkstatt, sie wird aber nicht als solche genutzt. Die Halle ist kein Veranstaltungsraum, man kann sie nicht mieten. Sie ist kein reines Atelier, nicht nur Galerie, sie ist … alles zusammen – ein „Kreativ-Raum“, wenn man so will, wie sie in großen Städten wie New York oder auch Berlin häufig zu finden sind. Aber in St. Johann? „Die Leute in der Region sind sehr interessiert“, sagt Aglaia mit einem breiten Lächeln. Zur „Battle of Art“, bei der im Dezember letzten Jahres Hausherr Bernard Embacher und der Künstler Maximilan Fohn mehr mit- als gegeneinander mit Farbe und Pinsel kämpften, kamen jede Menge BesucherInnen. Das wundert mich nicht, denn irgendwie ist hier alles … sehr locker, leger. Ich verspüre keine Spur jener Ehrfurcht, die einen sonst oft in Galerien beschleicht angesichts der „hohen Kunst“. Genau das ist es, was Bernard und Aglaia Embacher wollen: Eine zwanglose Atmosphäre und „keinen sterilen Kunstgenuss“, wie es Aglaia formuliert. Sie kann sich eine „Art Night“ im „Kunstwerk“ vorstellen, „wo sich Leute treffen, wo Dinge passieren, wo man mit anderen Kunstsparten wie der Musik oder Literatur kooperiert.“
Bei Vernissagen wird im „Kunstwerk“ über die Bilder gesprochen, man soll und darf auch kritisch sein, reflektieren. Man sitzt, trinkt ein Glas Wein, diskutiert, philosophiert, genießt mit allen Sinnen. „Kunst soll nicht von oben herab vermittelt werden!“, so die Hausherrin. Kunst ist für mich, wenn es die Menschen berührt.“
Ungewöhnliche Vornamen
Die 56-Jährige ist in der Kunstvermittlung tätig – sie unterrichtet am Gymnasium in St. Johann bildnerische Erziehung. Zuvor war sie unter anderem Kostümbildnerin an einem Theater in Wien und verfasste Texte für den Kunstverein in Bregenz. Sie liebt es, über die Kunst zu reflektieren und schreiben. Ihren Bernard lernte sie vor ein paar Jahren in Graz kennen. Über die Kunst wahrscheinlich? Sie lächelt geheimnisvoll: „Na ja, nicht direkt.“ Auf jeden Fall fanden die beiden schnell Gemeinsamkeiten, die über Malerei und Co. hinausgehen. Beide haben zum Beispiel einen Sohn namens Jakob, sie sind im selben Jahr geboren.
Aglaia hat darüberhinaus noch einen Sohn, Jonas, und Bernard eine Tochter, Katharina. Was hat es eigentlich mit ihrem Vornamen auf sich?
Aglaia ist nicht gerade alltäglich … „Aglaia ist eine der drei Grazien der griechischen Mythologie“, klärt sie mich auf. „Ich weiß nicht, was sich meine Eltern konkret vorgestellt haben.“ Sie lacht. In unseren Breitengraden ungewöhnlich ist ja auch Bernards Vorname. „Meine Mutter war ein wenig frankophil“, erzählt der Künstler und Architekt. Gerade ist er wortwörtlich zur Tür hereingeschneit und schüttelt die dicken weißen Flocken von der Mütze.
artacts zu Besuch im „Kunstwerk“
Wenn Bernard Embacher ein Bild fertiggestellt hat, ruft er Aglaia an. Sie kommt dann ins „Kunstwerk“, und die beiden versenken sich bei einem Glas Wein in die Betrachtung des neuen Werks. „Wir diskutieren und sprechen darüber, was man sieht, was man spürt, … gemeinsam Kunst zu betrachten, ist einfach wunderbar!“, freut sich Aglaia.
Die nächste Veranstaltung im „Kunstwerk“ hängt mit „artacts“ zusammen: BesucherInnen des Festivals, das vom 11. bis 13. März stattfindet, können sich an den Festivaltagen Bernards neueste Kreationen ansehen (alle anderen natürlich auch). Einer der musikalischen „Acts“ wird sogar in das „Kunstwerk“ verlegt (Sestetto Internazionale in drei kurzen Duo-Auftritten am Samstag, 12. März ab 16 Uhr). Die Akustik ist ideal – und mehrfach erprobt: Bernard hat hier schon mit der Formation „Free Music St. Johann“ geprobt, der er angehört, er spielt Klarinette und Saxophon – mehr dazu demnächst in der St. Johanner Zeitung.
Aber noch einmal zurück zur Malerei: Für Aglaia funktioniert Kunst nicht ohne BetrachterInnen. „Der Künstler muss die Betrachter und Betrachterinnen nicht für dumm verkaufen, denn das sind sie nicht. Die müssen nichts wissen, sondern nur schauen und auf sich vertrauen und darüber reden.“ Die Neo-St. Johannerin würde sich nie herausnehmen zu erklären, warum beispielsweise ein Bild toll ist oder nicht, ob es Kunst ist oder nicht. „Es geht darum, ob ich damit etwas anfangen kann, ob es mich berührt. Dann ist es gut.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, finde ich.
Doris Martinz