Gewinnen ist leicht, das Verlieren hingegen will gelernt sein – SK-Obmann Josef Gurschler im Gespräch über seinen Lieblingssport.
Die „Fußballer“ sind schon ein ganz eigenes Völkchen, heißt es. Man beschreibt sie für gewöhnlich als wenig zimperlich, gesellig und trinkfest. Nun ja, und als sportlich, natürlich. Davon, dass sie als Teamplayer über sehr gefragte soziale Kompetenzen verfügen, spricht man kaum. Weil früher ja fast jede(r) in einem Verein engagiert war, da war das ganz normal. Heute aber können die Kids viele andere Sportarten ausüben, weit mehr als früher, viele sind als „Einzelkämpfer“ unterwegs beim Laufen, Radeln, Schwimmen und so weiter. Sich auf ein Team einstellen, in einer Mannschaft seinen Platz finden, die eigenen Fehler und auch die der anderen tolerieren, für eine Torchance sich auch einmal selber zurücknehmen, dem anderen den Ball zuspielen, mit Siegen und Niederlagen umgehen … das sind Dinge, die heute immer weniger junge Menschen beherrschen. Dabei sind es Kompetenzen, die wir im Leben dringend brauchen – privat und im Beruf.
Das bestätigt auch Josef Gurschler, frischgebackener, neuer Obmann des SK St. Johann. Der 42-Jährige wurde selbst bereits als Bub Mitglied des Vereins und genoss damit eine „fundierte Ausbildung fürs Leben“, wie er lachend sagt. Der Verein liegt ihm sehr am Herzen, „i bin då aufg’wåchsen“. Deshalb entschloss er sich dazu, Nachwuchsleiter, später Vizeobmann und schließlich Obmann zu werden. Die Verantwortung, die diese Position mit sich bringt, nimmt er gerne auf sich. Unterstützt wird er dabei von einem „grandiosen“ Vorstandsteam, das sich gegenseitig unterstützt und hilft – das haben die Mitglieder ja in vielen Jahren am Platz gelernt. „Sonst gangat’s nit.“
Vom Platz auf die Trainierbank
Der größte Erfolg, den Josef selbst in seiner aktiven Zeit in der Kampfmannschaft feierte, war der Aufstieg von der Landes- in die Tiroler Liga. „Wahnsinn, wia cool des wår!“ Seine Stärken am Platz beschreibt er so: „Technisch håt’s bessere geb’n, aber kämpferisch wår i immer guat. I wår knackig, håb an brutalen Biss g’håbt.“ Den hat er auch heute noch, auch wenn er die Seite gewechselt hat: Denn nun ist Seppi Gurschler Junior am Ball, und sein Vater ist nicht nur Obmann, sondern auch sein Coach. Gemeinsam mit Suat Yalcin trainiert Josef die U-14-Mannschaft. Erfolgreich, wie die Titel beweisen: Die Mannschaft darf sich unter anderem mehrfacher Bezirksmeister nennen. In der U-15 soll es noch heuer im Herbst in dieser Tonart weitergehen.
Der Mauer-Kick
Wie alle anderen Vereine, kämpft auch der SK St. Johann weniger mit den gegnerischen Mannschaften als mit Nachwuchsproblemen. Ein Fußballclub lebt schließlich davon, dass immer wieder junge Spieler aus den eigenen Reihen nachrücken. In den letzten Jahren hat Josef allerdings einen positiven Trend beobachtet: Es sind wieder täglich mehr junge Leute, Buben und auch Mädchen, am Fußballplatz anzutreffen. Zum Trainieren, aber auch einfach so zum „Kicken“. Das ist wichtig, denn je mehr Ballkontakt, je intensiver der lose, spielerische Umgang mit dem Ball, desto besser kann sich die richtige Technik entwickeln. Josefs bester „Trainingspartner“ war in seinen Kindertagen die Hauswand oder das Garagentor. Unzählige Stunden verbrachte er damit, den Ball gegen die Wand zu treten, ihn wieder anzunehmen, zurückzuschießen, zu passen. Welches Kind darf heute noch gegen die Hauswand oder Garage kicken? „Derf’n hätt’ ma früher a nit immer“, meint er augenzwinkernd.
Voller Einsatz
Der Sport hat sich verändert, er ist schneller geworden. „Des merkt ma scho beim Nåchwuchs“, weiß Josef. Da heißt es als Trainer mithalten … Die Begeisterung der jungen Spieler ist auch heute nicht kleiner als zu Josefs Zeiten. „Mei Månnschaft gibt alles!“ Klar sei es ein Prozess, bis eine Mannschaft reife, das gehe nicht von heute auf morgen. Die einzelnen Spieler müssen ihre Position am Platz und im Team finden, sie müssen lernen, sich für die Gruppe einzusetzen. Sich selber als Teil eines größeren Ganzen zu sehen, ist eine wichtige Erfahrung für alle. Eine, die vielen Nicht-Fußballern fehlt.
Apropos fehlt: Was Josef vermisst, ist eine Damenmannschaft in St. Johann. In dem Team, das er als Trainier mit betreut, ist nur ein einziges Mädchen vertreten. Collien Kogler ist dafür aber eine talentierte Spielerin, die beweist, dass Fußball kein ausschließlicher Männersport ist. Ob auch Josefs Tochter Lena, 17, Fußball spielen würde, wenn es die Möglichkeit gäbe? Vielleicht.
Trainer gesucht
Nach der Corona-Pause haben die insgesamt elf Mannschaften des SK St. Johann wieder ihr reguläres Training aufgenommen. Endlich, Gott sei Dank! Alle – von den U-6 Spielern bis zur Kampfmannschaft – haben das Spielen, den Sport, aber auch die sozialen Kontakte schmerzlich vermisst. Und auch dem 20-köpfigen Trainerstab sind die Einheiten abgegangen. Zwanzig Trainer? Das klingt nach einer Menge Leute, tatsächlich aber fehlen gerade im Nachwuchsbereich noch Trainer, da ja immer zwei zugleich im Einsatz sein sollten. Früher schlüpften oft – wie Josef – die Väter in die Rolle des Coach, heute wollen sich immer weniger Elternteile für den Verein einsetzen. Dabei ist es ein schöne und bereichernde Aufgabe für alle, die sich gerne mit Kindern beschäftigen. Wer Interesse hat, steigt mit einer fünftägigen Trainerausbildung für Kinder ein und bekommt von seinen Schützlingen viel zurück: „Wenn ma zuerst gewisse Spielzüge trainiert und dann erlebt, wia’s Team des am Plåtz umsetzt, då kriagt ma viel zurück, des is unheimlich sche.“
Ob als Trainer, Spieler, Elternteil oder einfach nur Fan: Wer sich bei den Fußballern „einklickt“, gewinnt rasch Freunde und wird Teil eines sozialen Netzwerks. Ob klein oder groß, jung oder junggeblieben: Am Fußballplatz sind alle gut aufgehoben.
„Altherren“ vor!
Josef vermisst es immer wieder, selber am Platz zu stehen und dem Ball nachzujagen. Gäbe es eine „Altherrenmannschaft“, dann wäre er natürlich mit dabei. Gäbe, wäre? Ja, denn in St. Johann gibt es kein solches Team, obwohl es nicht an ehemaligen Spielern mangelt, die gerne auch nach ihrer „Karriere“ mit Gleichgesinnten kicken würden. „Des Problem is: Es gibt koan, der des organisiert“, erklärt Josef. Als Obmann und Nachwuchstrainer mit Familie und Job (Josef arbeitet in der Immobilienvermietung) fehlt ihm selbst dazu die Zeit. Vielleicht rafft sich einer der ehemaligen „Stars“ der Kampfmannschaft auf und nimmt die Organisation in die Hand? Oder vielleicht tun sich auch zwei oder mehrere zusammen, wie früher in der Mannschaft, vielleicht stürmen sie nach vorne und reißen die anderen mit? Dabei könnten sie zeigen, dass sie es noch immer „drauf haben“ und den Jungen ein Vorbild sein – in vielen Disziplinen. Denn Fußball ist weit mehr als Sport.
Doris Martinz