Die St. Johanner Standesbeamtinnen berichten über berührende Momente voller Glück – und manchmal auch Trauer.
Mai ist’s, die Hochzeitsglocken läuten.? Das war einmal. „Geheiratet wird heute über das ganze Jahr verteilt, und die Monate September und Oktober sind die stärksten“, weiß Standesbeamtin Jutta Wunder. In „normalen“ Zeiten nehmen sie und ihre Kollegin Martina Fischer in St. Johann insgesamt zirka 90 bis 100 Trauungen jährlich vor, letztes Jahr waren es Pandemie-bedingt um ein Drittel weniger. Auch deshalb, weil viele der Gäste-Trauungen ausfielen – etwa 30 Paare aus dem Ausland feiern normalerweise jährlich in der Marktgemeinde Hochzeit.
Im Lockdown durften bei der Trauung nur vier Personen im Trauungssaal anwesend sein, momentan sind es wieder zehn – inklusive Standesbeamtin. Auch, wenn die Pandemie die Euphorie bremst und die Feierlichkeiten stark einschränkt – das Heiraten an sich ist deshalb nicht aus der Mode gekommen. Die meisten Pärchen heiraten im Alter zwischen 25 und 45 Jahren, aber auch später findet noch so manche(r) sein Glück. Rekordhalter am Standesamt in St. Johann war ein 89-Jähriger, der noch einmal beschloss, den Bund fürs Leben einzugehen. Bereits zwei Ehefrauen hatte er verloren, beide waren verstorben. Als er das dritte Mal zum Standesamt kam, begleitete ihn seine Jugendliebe, die er unvermutet wieder getroffen hatte. Sie wurde seine letzte Ehefrau. „Das war sehr berührend für uns“, erzählt Jutta. Leider war dem Paar nicht mehr allzu viel gemeinsame Zeit vergönnt, der Mann ist inzwischen verstorben. „Aber die Zeit, die sie hatten, haben sie bestimmt geschätzt und sehr bewusst erlebt“, meint Martina.
Mitfreuen, manchmal auch mitweinen
Als Standesbeamtinnen stehen Jutta und Martina den GemeindebürgerInnen bei den großen Ereignissen des Lebens zur Seite: bei der Geburt, der Hochzeit, bei einem Sterbefall. „Wenn die Tür aufgeht, weißt du nie, was dich erwartet“, sagt Jutta. Martina nennt ein Beispiel: „Im einen Moment gratulierst du einem Paar, das du gerade getraut hast und freust dich mit ihnen. Im nächsten kommt vielleicht der Todesfall eines Kindes herein.“ Gerade, wenn man wie sie selber Mutter ist, seien dies die schwierigsten Momente in ihrem Beruf. „Daran gewöhnt man sich nicht, da weint man manchmal einfach mit.“ Umso schöner und Gott sei Dank viel häufiger sind die Fälle, in denen strahlende Eltern die Geburt ihres Kindes eintragen lassen. Über 700 Mal freuen sich Jutta und Martina jährlich mit ihnen. Und erledigen zügig die Meldung, denn jeder neue Erdenbürger/jede neue Erdenbürgerin muss innerhalb spätestens drei Wochen im Zentralen Personenstandsregister (ZPR) eingetragen sein. Dieser Umstand und die vielen anderen Standesfälle, die zu bearbeiten sind, führen dazu, dass Jutta und Martina kein beschauliches Beamtenleben führen, sondern im Gegenteil meist sehr gefordert sind, um das tägliche Pensum zu schaffen. Jutta ist seit 21 Jahren beim Standesamt beschäftigt, Martina seit zehn Jahren. Für beide ist es „der schönste Job der Welt“. Nicht nur wegen der Hochzeiten.
Keine Tauben, aber Live-Musik sehr wohl
Für beide sei es, wie sie sagen, eine Ehre, Trauungen vornehmen und so zutiefst persönliche Momente der Menschen miterleben zu dürfen. Immer mehr Paare kommen übrigens nur zu zweit und genießen die Intimität des Augenblicks. „Das ist ein Trend, der sich schon vor Corona abgezeichnet hat“, so Martina. Trauzeugen braucht man übrigens schon seit einigen Jahren keine mehr.
Andere wiederum zelebrieren die Hochzeit am Standesamt mit Familie und Freunden (sobald das wieder möglich sein wird), mit Live-Musik und sonstigem „Rahmenprogramm“. Vieles ist möglich, aber nicht alles. „Ein Brautpaar fragte, ob es im Trauungssaal Tauben fliegen lassen kann, ein anderes wünschte sich Schmetterlinge“, erzählt Jutta schmunzelnd. Beide Ansuchen mussten abgelehnt werden. „Sonst aber machen wir vieles möglich und bemühen uns, den Wünschen gerecht zu werden“, versichert Martina. Sogar ein Sektempfang im Foyer oder auf der Terrasse sei möglich, wenn nach der Trauung die Räumlichkeiten frei sind. Freilich erst, wenn nach Corona wieder alles normal läuft.
Heiratswillige sollten übrigens zeitgerecht das Aufgebot beim Standesamt bestellen, da die Prüfung und diverse Nacherfassungen ihre Zeit brauchen. Spontanhochzeiten fallen damit weg. Das ist auch richtig so, wie Martina erklärt, denn „die Amtshandlung der Trauung ist ein Rechtsakt, dessen staatlicher Charakter nicht untergraben werden darf!“
Keine Übersterblichkeit in St. Johann
Auch jeder Todesfall ist ein Rechtsakt und muss im ZPR erfasst werden. 2020 gab es Zeiten, in denen Jutta und Martina selbst das Gefühl hatten, dass mehr St. Johanner BürgerInnen starben als gewöhnlich. Um Gewissheit zu bekommen, erstellten sie eine Statistik. Sie zeigt einen ganz durchschnittlichen Verlauf. Im „Grippe-Jahr“ 2015 zum Beispiel war die Zahl der Sterbefälle um einiges höher. Dass Corona in St. Johann nicht mehr Todesopfer forderte, ist mit Sicherheit der ausgezeichneten medizinischen Versorgung in der Region zu verdanken – und der ungeliebten Einschränkung der Kontakte, deren Ende wir uns alle so sehnlich herbeiwünschen.
Doch widmen wir uns wieder den erfreulichen Standesfällen. Das Motiv für die meisten Trauungen, die am Standesamt in St. Johann vollzogen werden, ist Liebe, in dieser Einschätzung stimmen Jutta und Martina überein. Jede einzelne Hochzeit sei unvergleichlich, ganz so wie die Menschen, die sich das Ja-Wort geben. Manche Brautpaare lassen ihren Emotionen freien Lauf, sie haben Tränen der Freude in den Augen und strahlen vor Glück. Andere öffnen sich weniger. Und was ist mit den heulenden Schwiegermüttern, gibt es die auch? „Die gibt es“, bestätigt Martina und meint: „Sobald ich eine Träne sehe, bin ich happy. Denn ich weiß, ich habe alles richtig gemacht.“
Manchmal kommt es sogar vor, dass sie selbst mit ihrer Rührung kämpft. „Vor allem dann, wenn sich die Brautleute ein inniges, selber formuliertes Eheversprechen geben. Das ist manchmal unheimlich berührend.“
Und genau so soll es ja auch sein, das Heiraten. Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Jutta und Martina freuen sich auf eine romantische Trau-Saison 2021. Denn Liebe ist, wenn man trotz Corona heiratet.
Doris Martinz