Mag. Elke Sophia Prem von der Suchthilfe Tirol über den steigenden Drogenkonsum – und wie wir Kinder schützen können.
Man liest derzeit immer wieder von steigendem Drogenkonsum. Wie verhält es sich in unserer Region, sind wir auch betroffen? Mit dieser und einigen Fragen mehr im Gepäck begebe ich mich zur Beratungsstelle der Suchthilfe Tirol in der Bahnhofstraße in St. Johann. Elke Prem, Suchtberaterin sowie Klinische- und Gesundheitspsychologin, bestätigt die Zunahme auch bei uns: „Seit 2011 ist der Drogenkonsum laut dem WHO-Drogenbericht 2023 weltweit um 20 Prozent gestiegen“, weiß sie. Hauptsächlich werde Cannabis und Kokain konsumiert, dazu Speed und andere synthetische Drogen. Und natürlich Alkohol, die „Volksdroge Nummer eins“.
Auffallend sei, dass immer mehr Mischkonsum betrieben werde. „Ist kein Alkohol zur Verfügung, werden ein paar Lines gezogen oder es wird mit dem experimentiert, was gerade zu haben ist.“
Worin sieht die Expertin die Gründe für den vermehrten Drogenkonsum? „Es liegt wohl auch an den aktuellen Krisen, die auf die Menschen viel Druck ausüben“, so Prem. Festzustellen sei, dass mehr „Downer“ konsumiert werden, also Mittel, die sedieren und beruhigen. „Früher nahmen die Leute LSD, Ecstasy und Halluzinogene, man wollte die Nacht durchtanzen. Jetzt wollen sich die Menschen offenbar betäuben.“ Der Zugang zu den Drogen ist leicht wie noch nie: Im Internet beziehungsweise Darknet ist alles zu kriegen.
Gute Beziehungen schützen
Warum nehmen Menschen eigentlich überhaupt Drogen, und warum werden sie süchtig? „Es geht um den Dopaminkick, den man sucht“, erklärt Elke Prem. Unter Drogeneinfluss schütte der Körper Glückshormone aus. Das unabweisbare Verlangen nach dem Erlebniszustand, der sich dabei einstellt, ist die Sucht. „Manchmal habe ich das Gefühl, den jungen Leuten darf nicht mehr langweilig sein“, sagt die Psychologin. Sie seien ständig online, ständig einer Reizüberflutung ausgesetzt, immer auf der Suche nach einem Erlebnis oder „Kick“. Den Grund darin sieht sie in unserer Konsumgesellschaft, die unsere Sehnsucht, ja die Gier, nach dem ständigen Mehr befeuert.
Der erhöhte Drogenkonsum hat also mehrere Gründe, er liegt nicht allein in den Krisen begründet.
Viele Eltern sorgen sich um ihre Kinder und davor, dass sie mit Drogen in Kontakt kommen könnten. Woran erkennt man Drogenmissbrauch, worauf sollte man achten?
Schlafmittel und Nikotin seien „benutzerfreundlich“, weiß Elke Sophia Prem – also leicht erhältlich und schnell wirksam. Cannabis jedoch verursache gerötete Augen, und bei der Einnahme von Ecstasy würden sich die Pupillen vergrößern. Drogenmissbrauch führe jedoch auch zu einer Wesensveränderung: Die Person zieht sich zurück, verliert unter Umständen an Körpergewicht, zeigt Desinteresse an allen Dingen, sogar am Freundeskreis. „Wenn Drogenmissbrauch feststeht, braucht es professionelle Hilfe, zum Beispiel durch unser Team von der Suchthilfe Tirol. Unsere Leistungen sind kostenlos, alle Fälle werden natürlich anonym behandelt. Dabei arbeiten wir im Einzel- und Gruppensetting.“
Aber was kann man tun, damit es gar nicht so weit kommt, dass Kinder oder Jugendliche drogenabhängig werden? „Eigentlich ist eine gute Beziehung zwischen Kind und Eltern maßgeblich, sie ist die beste Prävention“, sagt Elke Prem dazu. Es sei wichtig, als Elternteil „am Ball zu bleiben“, Interesse zu zeigen dafür, was der oder die Jugendliche tut, nachzufragen – auch dann, wenn es dem Nachwuchs vielleicht lästig erscheint.
Sie rät Eltern, verfügbare Zeit in ihre Kinder zu stecken und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie in der Familie aufgehoben sind, dass sie dazugehören. Als zweifache Mutter weiß sie aus eigener Erfahrung, dass das gerade in der Pubertät nicht immer ganz einfach ist. „Aber man sollte dranbleiben.“
Aufeinander schauen, sich einmischen
Wichtig sei es, aufeinander zu achten – zum Beispiel in der Nachbarschaft oder auch in der Schule. Jugendliche sollten im Elternhaus dazu ermuntert werden, es ihnen oder einem Vertrauenslehrer zu sagen, wenn sich Mitschüler:innen komisch verhalten oder sie den Verdacht haben, dass Drogen im Spiel sind. Man könne sich jederzeit auch an das Team der Suchthilfe Tirol wenden und um Rat fragen. „Was alle angeht, soll alle angehen“, so drückt Elke Prem es aus. Hinschauen, nachfragen, Hilfe anbieten – das wünscht sie sich für die Gesellschaft, gerade auch beim Umgang mit Drogen.
„Wir leben viel zu viel nebeneinanderher, viel zu oft schauen wir weg. Das Miteinander braucht wieder mehr Raum“, meint sie. Sich einzumischen, sei vielleicht nicht immer angenehm. „Aber es kann Leben retten!“
An ihrem Arbeitsplatz ist Elke Prem immer wieder mit belastenden Situationen konfrontiert. Dennoch mag sie ihren Job sehr, wie sie sagt. Während des Studiums habe sie in einer Bar gearbeitet. „Da saßen vor mir die Suchtkranken. Ich habe ihnen schon damals geraten, nichts mehr zu trinken, das war nicht sehr wirtschaftlich“, erzählt sie und lacht. Nach dem Studium der Psychologie habe es sie zum Bereich der Sucht hingezogen. Die Beraterin weiß: Sie kann nicht jedem helfen. „Oft ist schon viel erreicht, wenn man den Menschen zuhört, ohne sie zu verurteilen. Wir bieten ihnen einen wertfreien Raum und nehmen sie an, wie sie sind. Das ist wichtig, zumindest das kann man ihnen geben“, so die Expertin. Es gebe viele schwierige Fälle – aber auch Erfolgsgeschichten.
Wichtig beim Kampf gegen die Abhängigkeit – egal, ob es dabei um Alkohol, Drogen oder Handysucht geht – sei der eigene Wille. „Man kann die Sucht bewältigen, wenn der Wille da ist, er ist die Voraussetzung“, sagt Elke Prem.
Wichtiger Gegenpol
Dass in den nächsten Jahren der Drogenkonsum sinken wird, sei nicht zu erwarten, meint die Psychologin. Sie hat kürzlich die Ausbildung zur Achtsamkeitstrainerin gemacht und gibt ihren Klient:innen ihre Erfahrungen daraus mit. „Wir brauchen einen Gegenpol in unserer schnelllebigen Zeit, wir müssen uns wieder mehr spüren lernen mit Achtsamkeit im Alltag“, sagt sie. Das sei auch für unsere Kinder wichtig. Wer sich selbst spüre, habe weniger Verlangen nach dem „Kick“. Yoga und Meditation in den Schulen? „Das wäre wirklich eine Möglichkeit für gute Drogen-Prävention“, ist sich Elke Prem sicher.
Was ich aus dem Gespräch mitnehme, ist, dass die Drogenproblematik nicht geringer wird. Aber dass wir einiges tun können, um uns und unsere Kinder zu schützen: Ein gutes Miteinander pflegen, aufeinander achten, Entspannungstechniken anwenden – all das tut uns gut. Auch wenn es nicht um Drogen geht …
Infos auf www.suchthilfe.tirol
Doris Martinz