Rupert Polak und Alexander Stöckl erzählen von der Radunion St. Johann und ihren Abenteuern als „Pedalritter“.

Im Jahr 1885, so sagt „google“, wurde das moderne Fahrrad erfunden. Die neue Art der Fortbewegung muss die Menschen auch in unserer Region auf Anhieb fasziniert haben. Denn keine zehn Jahre später, nämlich bereits 1894, wurde in St. Johann bereits ein Radsportclub gegründet – die spätere Radunion, Mitglied des Dachverbands „Sport­union Österreich“. Rupert Polak, seit 25 Jahren Mitglied, einst Schriftführer und auch Obmann, erzählt mir ein wenig vom Vereinsleben. Für den 63-jährigen Kirchdorfer ist das In-die-Pedale-Treten schon seit seiner Jugend ein wichtiges Thema. Er berichtet, dass er früher mit einem Freund sogar bis nach Venedig und Marseille radelte. Vor ein paar Jahren bewältigte er gemeinsam mit seiner Frau Silvia den Jakobsweg von Bilbao nach Santiago de Compostela (740 km und 7600 Hm) – nicht zu Fuß, sondern natürlich per Bike. Das macht für ihn mit die Faszination des Radfahrens aus: Die körperliche Betätigung entspannt und macht den Kopf frei. Darüber hinaus jedoch lassen sich auf Radtouren neue Gegenden, Landschaften und Kulturen entdecken, und das ist etwas, was ihn immer wieder begeistert und aufbrechen lässt zu neuen Zielen. Acht Mal war er zum Beispiel auch schon in Südafrika unterwegs, (Dabei waren auch zum Teil Fuchs Ferdi und Rogulic Marko) auf einer geführten Charity-Tour mit einer Gesamtlänge von 1.800 Kilometer. Im Pulk von 20 bis 30 anderen Radbegeisterten spulte Rupert Tagesetappen von bis zu 270 Kilometer ab und perfekt Organisiert von Julande und Johann Mare`. „Das Gefühl, wenn man das zum ersten Mal schafft, ist schon überwältigend“, erinnert er sich. Was auf diesen Reisen noch dazukommt: Am Ende von Etappen übergibt die Gruppe Spenden an bedürftige Menschen in der Region wie etwa Waisenkinder oder behinderte Menschen. Zum Endorphin, das der Körper auf den Touren ausschüttet, kommen so noch sehr emotionale Momente. „Das sind Augenblicke, die man nie mehr vergisst“, sagt Rupert mit glänzenden Augen.

 

Sprungbrett für Rad-Talente

Auch Alexander Stöckl hat beim Radfahren schon Außergewöhnliches erlebt. Der 33-jährige Kirchbichler arbeitet in Kurt Exenbergers Bikeacademy, engagiert sich im Verein im Bereich Marketing, Social Media sowie bei den Veranstaltungen und trainiert vor allem seit zwei Jahren die Jugend im Verein. Er und seine sieben KollegInnen haben alle Hände voll zu tun: 80 der insgesamt fast 170 Vereinsmitglieder sind Kinder und Jugendliche, die es aus- und weiterzubilden gilt. „Nachwuchssorgen haben wir jedenfalls keine“, sagt Alex und grinst.

Für Rupert ist der Nachwuchs auch ein Motivationsfaktor. „Die Kinder ziehen mit ihrer Begeisterung und ihrem Enthusiasmus auch die Älteren mit“, erklärt er.

Der Verein schaffe eine gute Basis für alle jene, die es im Rennsport weit bringen wollen und ist immer wieder Sprungbrett für junge SportlerInnen, die dann in Wörgl oder Innsbruck weiter an ihrer Radkarriere arbeiten. Schon so manches Talent kam aus der Kaderschmiede der Radunion St. Johann. Man brachte zum Beispiel schon Österreichische Meister im Einzelzeitfahren hervor und und und.

Das Radfahren boomt nach wie vor, vor allem das Mountainbiken. Um das Bergauffahren reißen sich die meisten Kids natürlich nicht, aber es gehört dazu – die Trainings finden meist abends statt, wenn die Lifte geschlossen sind. Treffpunkt ist beim Kaiserstadion, von dort aus schwirren die Gruppen aus – zum Harschbichlparkplatz, zur Skill-Area, zu den OD Trails, zum Hinterkaiser …. jeder Trainer hat seine eigenen Lieblingsstrecken. Techniktraining ist angesagt, sicheres Bergabfahren ein wichtiger Punkt bei der Ausbildung der Jugend.

Auch die Erwachsenen starten vom Kaiserstadion aus – die Details dazu findet ihr nachstehend. Hier kann jeder mitfahren, mit oder ohne „E“ am Bike. Das Vereinsleben ist ein sehr aktives bei der Radunion. Die Mitglieder genießen es, sich im Frühling gemeinsam einzuradeln (manche Gruppen in Südtirol oder Mallorca) und dann zu immer neuen und weiteren Touren aufzubrechen. Die Gruppe gibt dabei Hilfe, Sicherheit und Unterstützung – und sorgt für Windschatten, wie Rupert wissend lächelnd meint. „Außerdem darf man den gesellschaftlichen Aspekt nicht vergessen. Die Radler sind gesellige Leute, die nach der Tour gerne noch zusammensitzen und ein wohlverdientes Gläschen trinken.“ Gemeinsam Herausforderungen bewältigen macht Spaß – und natürlich durstig …

 

Bis zur völligen Erschöpfung …

Alexander oder Alex, wie ihn alle nennen, kommt eigentlich vom Fußballsport. Ausdauer bewies er schon ganz früh, als er mit seinem Vater stundenlang die „Tour de France“ im Fernsehen verfolgte. Und natürlich auch, wenn er mit ihm radeln ging. Dann kam das „MTB“. Auf steilen, schmalen Pfaden, auf denen sich Wanderer mühsam hinauf plagen, kann es passieren, dass einem Alex mit seinem Bike entgegenkommt. „Single Trails“ ziehen ihn wie magisch an. Er steht aber auch auf ausgedehnte Rennradtouren oder Radmarathons. „Dass der Sport so breit gefächert ist, finde ich einfach genial.“ Sich bis zur völligen Erschöpfung auf einen Berg zu quälen, macht ihn zufrieden und glücklich. Anders kann man es sich wohl nicht erklären, dass er gemeinsam mit seinem Freund Florian Nothdurfter beim Transalp-Rennen, das in sieben Etappen von Tirol bis zum Gardasee führt, Platz 13 belegte und damit bestes österreichisches Team wurde. Heuer soll es eine Top-10-Platzierung werden, darauf arbeiten beide schon hin.

Beim KitzAlpBike wurde Alex auf der Langstrecke 7ter. bester Einheimischer. Für solche Events, bei denen er innerhalb vier bis sechs Stunden rund 4000 Höhenmeter überwindet, trainiert er das ganze Jahr. Aber wann eigentlich? Alex sitzt ja während der Bikesaison zirka 8 Stunden täglich als Ausbilder und Trainer im Sattel, coacht und unterrichtet und trainiert abends im Verein noch die Kinder. Wie man sich danach noch auf Gewaltakte wie das Transalp-Rennen vorbereiten kann, ist mir schleierhaft. Alex grinst. „Sich zu motivieren ist dann nicht immer leicht“, gesteht er. Im Herbst, wenn die Bikesaison zu Ende geht, stellt er seine „Drahtesel“ dann gerne auch einmal zur Seite und erobert unsere Bergregion zu Fuß. Zumindest das kann ich ihm nachempfinden.

Auch er hat auf Radausflügen schon Großartiges erlebt. Er erzählt von einer Wüstentour durch Israel mit Freunden, von flimmernder Hitze über dem Asphalt, kargen Rastplätzen und einem Bad im Toten Meer, das nach einer Ausfahrt für alle Strapazen entschädigte.

 

Sternstunden eines Trainers

Im Verein erlebt Alex seine Sternstunden aber, wenn er beobachten kann, wie sich die Kinder unter seinen Anweisungen entwickeln und immer besser und sicherer werden am Bike. „Die machen unglaubliche Fortschritte. Es ist schon lässig, wenn man sie dabei begleiten darf.“ Die Kids kommen nicht alle aus St. Johann, sondern teilweise auch von weiter her, aus der Region zwischen Hopfgarten und Jochberg. Die nächsten Radclubs gibt es nämlich erst wieder in Scheffau und Wörgl.

Die Radunion hat heuer übrigens auch eine Trainerin, Steffani Grossman, engagiert, um damit vielleicht auch die weibliche Jugend mehr zu motivieren. Bislang sind es nämlich vor allem die Buben, die sich für den Radsport begeistern. Warum das so ist, können sich Alex und Rupert nicht erklären. Mädels, was ist los? Nichts wie rauf aufs Rad!

Doris Martinz