Die Diätologin Patricia Riedl erklärt, warum unser Darm einem Zoo gleicht und wie wir unsere „Tierchen“ füttern sollten.

Fastenzeit. Während manche ihre Vorsätze längst über Bord geworfen haben, stecken andere noch mittendrin im Verzicht: Weniger Alkohol, weniger Zucker, weniger Fett, weniger alles. Dabei mache gerade das Gegenteil Sinn, meint Patricia Riedl. Nicht weniger sollten wir essen, sondern unsere Ernährung bereichern – mit Lebensmitteln, die uns guttun. Vor allem unserem Darm, den die Diätologin, medizinische Ernährungstherapeutin und Diabetesberaterin mit einem Tierpark vergleicht: „Im Darm geht es zu wie in einem Zoo, wo kleine Tierchen verschiedenster Art und Gattung leben – die Bakterien“, erläutert sie. Mit dem, was wir essen, stärken wir jeweils eine Spezies: Mit guten Essgewohnheiten die Population der „guten“ Tierchen, also jene, die uns wohlgesonnen sind und positiv auf unser Wohlbefinden wirken. Mit schlechten Essgewohnheiten fördern wir die „schlechten“ Tierchen. Aber was ist gut, und was ist schlecht?
Patricia hat drei wichtige Ernährungstipps für uns:

Tipp 1:
Ballaststoffe einbauen in den Alltag

Ballaststoffe, so Patricia, können wir nicht mit unseren Verdauungsenzymen verdauen. Sie werden nicht vom Magen aufgespalten und rutschen weiter in den Darm, wo sie von den Tierchen aufgenommen und verstoffwechselt werden. Ballaststoffe sind also Futter für die Bakterien und fördern damit eine gesunde Darmflora. Wo sind Ballaststoffe drin? „In allen pflanzlichen Lebensmitteln, vor allem in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Bohnen, Linsen, Erbsen, Kichererbsen, Fisolen und so weiter. Diese Lebensmittel zu forcieren, macht Sinn.“ Auch Gemüse und Salat, Zwiebel und Knoblauch liefern Ballaststoffe, beim Obst sind es vor allem die Beeren oder Äpfel, alle Samen und Nüsse. „Da ist für jeden Geschmack etwas dabei.“

Tipp 2:
vermehrt probiotische Lebensmittel auf den Tisch bringen

„Probiotika sind Bakterien, die sich in unserem Darm ansiedeln können und gut für uns sind“, erklärt die St. Johannerin. Sie seien in natürlichen Lebensmitteln enthalten, die Industrie setze sie auch gewissen Lebensmitteln zu. Wer es natürlich mag, greift zu Buttermilch, Kefir und anderen sauer vergorenen Milchprodukten.
Zu den probiotischen zählen auch fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut. „Kimchi, koreanisches Sauerkraut, liegt gerade sehr im Trend.“

Die Krux bei fermentierten Lebensmitteln ist jedoch, dass sie nicht pasteurisiert, also nicht erhitzt werden dürfen, wenn sie ihre positive Wirkung behalten sollen. Das Sauerkraut soll man also roh essen? „So macht man das auch mit Kimchi“, erklärt Patricia. „Man isst es nicht in großen Mengen, sondern in kleinen Portionen auf dem Käsebrot, im Salat, in Bowles oder Wraps.“ Und das köstliche, weil gefühlt stundenlang gekochte Sauerkraut mit Speck und Zwiebeln? „Das ist für den Genuss“, meint sie mit Augenzwinkern.
Die perfekte Verbindung von Ballaststoffen und probiotischen Lebensmitteln ist übrigens das gute alte Birchermüsli (Rezept nachstehend). „Wenn wir damit in den Tag starten, erhalten wir einen artenreichen Bakterienmix für einen gesunden Darm.“

Tipp 3:
Vielfalt nützen

Patricia hält wenig von Verzicht, sie ist ein Fan von Vielfalt am Teller. Besonders dann, wenn viel Obst und Gemüse mit im Spiel sind. „Je bunter, desto besser. Denn jede Farbe steht für gewisse Inhaltsstoffe.“ So gesehen schauen meine geliebten Kasknödel wahrscheinlich ziemlich blass aus? „Die brauchen einen Salat, zum Beispiel Krautsalat“, bestätigt Patricia. Gut, den esse ich ohnehin dazu. „Mit tierischen Fetten, wie sie in Käse enthalten sind, füttern wir die Tierchen, die wir nicht so gerne im Darm haben wollen, deshalb sollten wir hier auf einen bewussten Konsum achten“, rät Patricia.
Sie meint, wir sollten auch offen sein und für uns neues, heimisches Obst und Gemüse sowie Kräuter und Gewürze ausprobieren: Schwarzwurzeln und Mairübchen, Pastinaken, Tobinambur, Edamame und mehr – gewürzt mit Bohnen- und Currykraut, mit Minze, Kardamom und Co.. Für Zahlenfetischisten: 30 verschiedene pflanzliche Lebensmittel pro Woche wären ideal. Ich persönlich hab’s ja nicht so mit dem Zählen – das funktioniert bei den Kalorien auch nicht.

Bauchhirn

70 Prozent der Immunzellen des menschlichen Körpers sitzen im Darm. Wenn wir unsere guten „Tierchen“ füttern und stärken, funktioniert das System gut, es schützt uns vor Krankheiten. In der Körpermitte werden aber auch Glückshormone gebildet und gespeichert, so Pa­tricia. Sie bezeichnet den Darm als „Bauchhirn“: „Gehirn und Darm kommunizieren ständig miteinander, das ist ein ständiges Hin und Her, wie auf einer Autobahn. Wenn wir beispielsweise Schmetterlinge im Bauch haben oder gestresst sind, verspüren wir keinen Hunger. Ein intakter Darm ist wichtig, damit diese Mechanismen gut funktionieren.“
Was der Darm tut oder nicht tut, hat Gewicht, denn er ist kein kleines Organ: Zwischen eineinhalb und zwei Kilogramm Bakterien leben hier. Es sind also viele – wir sollten darauf achten, dass die Guten die Oberhand haben.

Patricia findet es faszinierend, wie sehr man durch gesunde Ernährung das eigene Wohlbefinden unterstützen kann. „Mit etwas so Alltäglichem, dem Essen, hat man sehr viel Spielraum für Positives – und auch für Negatives.“ Sie würde sich wünschen, dass die Menschen allgemein achtsamer sind bei dem, was sie zu sich nehmen. „Das hat auch mit Selbstliebe zu tun“, meint sie. Unter diesem Gesichtspunkt könnte der Wocheneinkauf eine ganz neue Ausrichtung bekommen …
Doris Martinz

Bircher-Müsli

ZUTATEN:
• 70 g Haferflocken (oder andere Flocken z.B. Hirse-, Gerstenflocken, …)
• 20 g Rosinen oder anderes Dörrobst (z.B. gehackte Datteln, Feigen, …)
• 10 g Leinsamen
• 5–10 g Samen wie Brennnesselsamen, Sonnenblumenkerne, o.Ä.
• Zimt (Gewürze variieren z.B. gemahlene Vanille, gem. Kardamom, Zitronenschale, …)
• 50–80 g Topfen oder Naturjoghurt
‚• 75–100 ml Flüssigkeit (Wasser, Milch – abhängig von Konsistenz)
• Bei Bedarf 1 Stk. Obst (z.B. 1 Apfel, …)

ZUBEREITUNG:
Haferflocken, Rosinen, Lein­samen, Samen, Zimt mit ­Topfen/Joghurt, Wasser ­mischen und gut verrühren.
Wenn die Mischung zu fest und trocken ist, dann noch etwas mehr Wasser dazugeben. Bei Bedarf geriebenen ­Apfel oder frische Beeren o.Ä. unterheben.
Müsli abdecken über Nacht im Kühlschrank quellen lassen.
Am nächsten Morgen umrühren und wenn nötig noch etwas Wasser hinzugeben (abhängig von dem, welche Konsistenz man möchte).

Abwechslung ist sehr wichtig, d.h. Müsli immer wieder variieren:
• z.B. 1 Handvoll Obst nach Wahl (auf Saison und Bedürfnisse achten)
• Statt rohem Obst mal ein ungesüßtes Kompott oder Apfelmus dazu reichen
• Nüsse/Samen hacken und darüber streuen
• + 1 TL hochwertiges Pflanzenöl (z.B. Leinöl in der Früh vorm Verzehr unterrühren)