Trine Schipflinger über das Räuchern und was Weihnachten für sie bedeutet
Die Tage sind kürzer und die Temperaturen merkbar kühler. Dies ist die Zeit, wo wir uns gerne ein wenig zurückziehen und uns vor allem abends mehr den gemütlichen Aspekten des Lebens widmen. Der prickelnde Sommerspritzer wird nun gern gegen eine Tasse feinen Kräutertee oder dampfenden Kakao getauscht und am kuscheligen Lieblingsplatz genossen, die Füße dabei vorzugsweise in wohlig warme Wollsocken gesteckt.
Bestimmte Rituale begleiten uns schon von klein auf oder kommen im Laufe unseres Lebens dazu. Gerade bei uns in Tirol ist das Räuchern speziell in den Rauhnächten weitverbreitet und ein wichtiger Bestandteil der Feierlichkeiten rund um Weihnachten und Silvester. Der genaue Zeitraum dieser geheimnisvollen Spanne „Zwischen den Jahren“, an denen dem alten Glauben zufolge die Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind und das Tor zur Unterwelt offensteht, ist Ansichtssache. Für viele beginnen die Rauhnächte am 24. Dezember und dauern bis zum 5. Jänner, für die anderen beginnen sie bereits zur Wintersonnwende am 21. Dezember. Traditionell wird an Heiligabend, zu Silvester sowie am 5. Jänner geräuchert, in erster Linie um das Haus, den Stall etc. zu reinigen, harmonisieren und zu schützen. Das Unglück will man dabei aus dem Haus schicken und das Glück hereinbitten. Besonders in katholisch geprägten Familien versammeln sich zu diesem Ritual alle Mitglieder, um bei der „Miniprozession“ das vom Familienoberhaupt angeführt wird, mit Räucherwerk, Gebeten und Weihwassersprenkel von Raum zu Raum zu gehen. Ob dabei nun Harze, Kräuter oder klassisch Weihrauch verwendet wird, ist Geschmackssache.
An dem Tag, an dem ich mich auf zur Achatschmyde mache, um Trine zu treffen, kündigt der Morgennebel bereits die bevorstehende mystische, dunklere Jahreszeit an. „Dies ist die Zeit, in der wir mehr zu uns selbst kommen und auf uns schauen sollen,“ meint Trine, die mich freundlich begrüßt. Ein angenehmer Duft hüllt uns und die Mineralien in der Achatschmyde ein.
Negatives in Rauch auflösen
„Wir räuchern hier im Geschäft jeden Tag,“ erklärt Trine und setzt sich mit mir in ihre kleine Werkstatt im hinteren Bereich der Achatschmyde. Neben dem Duft des Räucherwerks, den Trine und ihr Mann Fritz jeden Tag je nach Gefühl oder Wetter wählen, ist für mich auch eine gewisse Schwingung im Raum spürbar. „Unsere Steine sind für uns wie Lebewesen, sie bestehen aus Mineralien wie wir wohl im Ursprung auch. Wir haben festgestellt, dass die Kombination aus Steinen und Räuchern dem Geist, der Seele und dem Körper guttut.“ Trine erklärt auch, dass man für viele verschiedene Situationen räuchern kann. „Räuchern verbreitet einen feinen Duft und kann reinigend wirken – sowohl für das Selbst als auch von Räumen.“ Einige kennen vielleicht das Gefühl, sich nach einem Umzug nicht ganz wohlzufühlen, obwohl einem die Wohnung oder das Haus selbst sehr gut gefällt. Oder dass sich ein Raum nach einem Streit oder einem unangenehmen Besuch anders anfühlt als zuvor. Auch wenn man sehr gestresst ist oder erschöpft, kann man sich mit einem Räucherwerk gutes tun und sich vielleicht sogar sanft an ein Thema, das in einem schlummert, herantasten.
Heiliges Holz
Trine und Fritz haben selbst sehr viele verschiedene Räucherwerke ausprobiert und nicht immer nur gute Erfahrungen gemacht: „Besonders bei parfümierten Räucherwerken haben wir festgestellt, dass sie Kopfschmerzen und Unwohlsein verursachen können und dass sie lange in Textilien haften bleiben.“ Sie selbst beziehen ihr Material von einem befreundeten Peruaner und anderen direkten Quellen, von denen sie wissen, dass nur beste Qualität verarbeitet wurde. In der Achatschmyde findet man 15 bis 20 verschiedene Räucherwerke – darunter Räucherstäbe, Weihrauch aus Indien, Palo Santo (das heilige Holz der Inkas) aus Südamerika und Cobal negro (Harz aus Palo Santo).
Das traditionelle Räuchern in einer Schale mit einem Kohlestück, auf das man Weihrauch, Harze und Kräuter legt und deren Rauch mit einer Feder im Raum verteilt, erfordert ein wenig Übung. Für „Räucherneulinge“ bieten sich daher besonders Räucherstäbchen und Palo Santo an, denn diese zeigen große Wirkung bei einfacher Handhabung. Trine zeigt es mir: Sie nimmt ein Stück vom „Heiligen Holz“ und zündet es an. Nachdem die kleine Flamme erlischt, entwickelt sich ein feiner, weißer Rauch, den sie mit achterförmiger Handbewegung im Raum verteilt. Der Duft, der sich dadurch entwickelt ist für mein Empfinden leicht süßlich und holzig und so, wie ich mir den Duft in einem Regenwald vorstelle. Ist es genug, drückt sie das Holz in einer kleinen Schale mit Sand aus.
Liebe fängt bei dir an
„Wichtig ist, dass man räuchert, weil es sich für einen selbst richtig anfühlt und nicht weil man glaubt, es zu bestimmten Zeiten tun zu müssen,“ sagt Trine. In ihren Augen hat Räuchern auch etwas mit Selbstliebe zu tun: „Du zündest es an, weil es dir guttut.“
Weihnachten ist für Fritz und Trine das Fest der Liebe, das die beiden versuchen, das ganze Jahr über bewusst zu leben. „Wir haben uns vor langer Zeit entschieden, nur das zu tun, was für uns und alle anderen gut ist – dies gilt sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich.“ Schon vor dem 24. Dezember räumen die beiden mehr Zeit für Treffen mit ihren Freunden ein, mit denen sie sich positiv Austauschen und einander bereichern können. Wie schon in der Oktoberausgabe 2022 berichtet, sind sie der festen Meinung, dass die Welt mehr Liebe braucht – und die fängt bei einem selbst an.
Viktoria Defrancq-Klabischnig