Der St. Johanner Hans Hauser über Glück und Leid eines Musikers, über seinen Künstlernamen und die schönsten Momente auf der Bühne
Als „introvertierten Poeten und aggressiven Kämpfer für eine bessere Welt, mit einer Mischung aus Neil Young und Kurt Cobain“ bezeichnet ihn eine große Tageszeitung, er liefere richtig starke handgemachte Gitarrenmusik mit zeitloser Note und stelle mit seinem neuen Album „can’t control it“ einmal mehr unter Beweis, welch begnadeter Songwriter er sei, so ein österreichisches Musikmagazin. hhanoi alias Hans Hauser aus St. Johann hat sich in der Szene einen Namen gemacht. Mit seinen Liedern, die von Selbstfindung handeln, von ungelebten Träumen oder auch von Berlin, mit seiner etwas rauen, rockigen Stimme und seiner Gitarre, die wie eine Erweiterung seiner selbst wirkt.
Irgendwie kaum zu glauben, dass der 38-Jährige vor 15 Jahren noch bei Tirolerabenden im Takt stampfte und mit der flachen Hand auf seine Lederhose klatschte. Für einen Spross der Familie Hauser war das nur natürlich. Hans’ Opa war einer der Gründer der Trachtengruppe Hauser, und auch sein Vater leitete den Verein viele Jahre lang. Hans wuchs also in einer sehr musikalischen Familie mit dem Volkstanz auf. Er genoss eine vielseitige Ausbildung an der Gitarre und am Schlagzeug, er spielte Klavier, Keybord und Akkordeon. Sein Onkel Otto war es, der ihm, als er zehn Jahre alt war, zwei Platten von ACDC schenkt und ihm damit den Rock’nRoll in Ohr und Herz pflanzte. Kam Hans von der Schule nach Hause, zog er sich meist gleich in den Keller zurück. Nicht, um dort die Sprünge für den „Eifersuchtstanz“ zu üben, sondern um mit Gitarre, Keybord und „drums“ ordentlich Gas zu geben. Dass er eines Tages Sänger werden würde und eigene Songs schreiben – daran dachte er damals noch nicht. Dass sein späterer Beruf irgendwie mit Musik zu tun haben sollte, war aber bald klar.
Mit fünf Bands zugleich auf Tour
Nach Abschluss der Matura studierte er klassische Gitarre am Mozarteum in Innsbruck und stieg dann auf die Akustikgitarre um. Die gemeinsamen Auftritte mit der Trachtengruppe wurden weniger und hörten schließlich ganz auf – es wurde aufgrund der örtlichen Entfernung einfach zu umständlich. Dass sich Hans von der Volksmusik entfernte, lieber Rock’nRoll und andere Stilrichtungen spielte, nahm die Familie mit Bedauern zur Kenntnis. „Aber das wurde von der Familie sehr schnell akzeptiert“, unterstreicht Hans.
Hans und ich trafen uns übrigens nicht persönlich, sondern führten unsere Unterhaltung per „Zoom“ digital. Seit der Coronakrise im Frühjahr weiß man ja, wie das funktioniert. Hans lebt jetzt seit 20 Jahren in Innsbruck, er kommt immer wieder einmal nach Hause, um die Familie zu besuchen – meist an den Wochenenden.
Schon während des Studiums begann Hans zu unterrichten. Daneben arbeitete er als Gitarrist, Bassist und Sänger mit den verschiedensten Künstlern und Bands in unterschiedlichen Stilrichtungen, nahm mehr als 20 CDs auf, war manchmal mit fünf Bands gleichzeitig on Tour. Er arbeitete im Studio oder Live unter anderem mit Dominik Plangger, dem Tiroler Symphonie Orchester Innsbruck, Manu Delago, Johnny Hill, Nadine Beiler, Florian Bramböck und vielen anderen. Dazwischen verbrachte er ein Jahr in London, um E-Bass zu studieren und sich intensiver mit Jazz zu beschäftigen. Mit den Jahren bildete sich ein großes Netzwerk um ihn herum. Dass die Szene in Tirol so überschaubar ist, schätzt Hans inzwischen. „Bei uns gibt es viele echt gute Leute“, sagt er. Und setzt nach: „Nur, die kennt halt keiner.“
Start als Singer-Songwriter
Schon als Jugendlicher schrieb Hans seine eigenen Lieder. Vor einigen Jahren beschloss er, sie alleine auf die Bühne zu bringen, „mal schauen, ob das geht.“ Bei einem Urlaubsaufenthalt in Hanoi (Vietnam) saß er in einem Café und beobachtete die Menschen, die an ihm vorbeigingen. Welche Geschichten sie wohl mit sich herumtrugen? Noch an Ort und Stelle fing Hans an, Texte und Melodien zu schreiben. Da die Inspiration für viele Texte in Hanoi kam, beschloss Hans, in Zukunft als hhanoi aufzutreten – eine Mischung aus dem Namen der Stadt und seinen Initialen. Das erste Album „Dawn“, in Berlin aufgenommen und produziert, erntete anerkennende Kritiken in Österreich und Deutschland. Weitere Alben entstanden gemeinsam mit dem Schlagzeuger Lucas Geiler. Im Februar dieses Jahres war Hans noch in der Alten Gerberei zu hören – vor einem begeisterten Publikum. Das aktuelle Album „can’t control it“, bei dem Hans als Solokünstler im Zentrum steht, konnte aufgrund der Corona-Pandemie nicht präsentiert werden.
Was ist Erfolg?
Daneben spielt Hans weiter mit Jazz- oder Rockbands, auch Blues. Sein Haupteinkommen jedoch bezieht er nach wie vor aus seiner Arbeit als Musiklehrer am Institut für Sozialpädagogik in Stams.
„Von der eigenen Musik zu leben, wenn es nicht sehr kommerziell ist, ist sehr schwierig“, meint er.
Aber was bedeutet Erfolg eigentlich für ihn, kann man diesen Erfolg überhaupt in Euros messen?
„Wenn man sich nur auf die Likes konzentriert und auf Zahlen, dann ist es nie genug.“ Für ihn sei der Moment, in dem er ein Lied schreibe, tausendmal schöner als eine Zahl am Konto. Oder die Zeit, die er mit Kollegen einen neuen Song probt. Oder wenn bei einem Live-Aufritt das Publikum mitgeht, wenn die Stimmung passt. „Und wenn dann vielleicht nach dem Konzert noch ein paar Leute kommen und dir sagen, dass du sie mit deiner Musik irgendwie berührt hast, dann ist das der größte Erfolg überhaupt. Nicht die Nullen am Konto zählen, sondern die Begegnungen, die Interaktion mit den Menschen. Davon ernährt sich ein Musiker“, beschreibt Hans seine Empfindungen. Freilich, schränkt er ein, gehöre das Geld auch dazu, von irgendwas müsse man ja leben.
Eines seiner persönlichen Konzerthighlights erlebte er in der Kulturbackstube in Innsbruck: Nach der letzten Zugabe ging er von der Bühne und machte sich ein Bier auf, als er hörte, wie draußen die Menschen wieder selber seinen Song anstimmten. Ein Gänsehautmoment. Natürlich ließ er sein Bier stehen, ging auf die Bühne und spielte mit den Leuten mit. „Ein wahnsinnig intensiver Moment war das“, erinnert er sich.
Vielleicht hat Hans nicht das „große Geld“ auf der Bank. Die Emotionen, die er in Momenten wie diesen erlebt, sind dafür unbezahlbar.
„Aber natürlich gibt es auch die schlechten Seiten“, gesteht er, „es ist jedes Mal ein Risiko, wenn du auf die Bühne gehst.“ Immer wieder gebe es Locations und Veranstaltungen, wo man mit seiner Musik einfach nicht hineinpasse, schildert Hans. Man habe dann eher das Gefühl, die Leute zu stören als zu unterhalten. „Man muss lernen, das wegzustecken.“
Woher die Inspiration kommt
hhanoi hat schon bei vielen Konzerten gespielt, auch auf kleineren Festivals, er hat unzählige wunderbare Momente gesammelt. Derzeit aber macht er keine großen Pläne – solange die Pandemie unser Tagesgeschehen beeinflusst, ist das sinnlos.
Er konzentriert sich auf seine Musik, komponiert viel und arbeitet mit einer vierköpfigen Band zusammen. Woher bezieht er seine Inspiration? „Das ist eine Frage, die ich nie wirklich so beantworten kann“, sagt er. Die Inspiration sei unterschiedlich und im ständigen Wandel, und man sei selber zum Teil Beifahrer, erklärt er. Er stoße beim Lesen auf seine Themen, wenn er zufällig einen Satz höre von Menschen, die an ihm vorbeigehen, aus Stimmungen. „Dann vertiefe ich das Gefühl und mache ein Lied daraus“, erklärt er. Als ob es die einfachste Sache der Welt wäre.
Natürlich hat auch hhanoi immer wieder eine Sinnkrise, wer nicht? Er stellt dann alles in Frage: seine Arbeit, seinen Wohnort, sich selbst. „Da schreibe ich dann wieder ein Lied“, sagt er lachend.
Die Musik ist seine Art, die Welt zu sehen, das Leben zu leben. Es ist eine immens große Welt voller Möglichkeiten, die ausgeschöpft werden wollen. „Seit ich 14 Jahre alt bin, interessiert mich nichts anderes“, gesteht er. „Ich wüsste nicht, was ich sonst machen sollte.“ Er streicht sich die Haare aus dem Gesicht, das Strahlen in seinen Augen überwindet jede Distanz und jede digitale Hürde …
Doris Martinz