Der ehemalige St. Johanner Alpenvereins-Obmann Horst Eder hat Interessantes über die Entwicklung des Sportkletterns zu berichten.
Beginn: eine Garage in Moosen
Ende der 1980er-Jahre mietete sich eine Gruppe unserer Jungmannschaft eine Garage bei einem Privathaus im Kirchdorfer Ortsteil Moosen, um sich einen Kletter-Trainingsraum zu schaffen. Ein selbstgetischlerter Klimmzugbalken und ein paar künstliche Griffe an den Wänden und an der Decke waren das Inventar, meist abends traf man sich zum Training, die Miete betrug 200,– Schilling monatlich. Als wir vom Vereinsvorstand von dieser Initiative erfuhren, kam die Überlegung, ob man nicht im Schulungsraum des Alpinheims eine Kletterwand für unsere Jugend installieren könnte. Und es ergab sich auch, dass unser damaliger Jugendwart Schorsch Perchtold begeistert von einer Veranstaltung in Reit im Winkl kam, beim Jugendheim dort war an der Außenfront eine Holzwand mit ein paar künstlichen Griffen. Und der Schorsch war begeistert: „Des måch’ ma a!“ Auch die Jungmannschaft war begeistert von dieser Möglichkeit, immerhin: mehr Raum, mehr Fläche und keine Kosten. Also wurde mit den übrigen Alpinheim-Vereinen Skiclub, Bergrettung und Bergwacht geredet, die sich alle kooperativ zeigten.
Die Kletterwand entsteht
Im Spätherbst 1989 war dann „Baubeginn“, die Jungmannschaft plante zuerst und werkte dann fleißig an den Wochenenden, tatkräftig unterstützt durch die Firma unseres damaligen Vizeobmannes Stefan Pletzenauer. Es war ja nicht so leicht, derartige künstliche Kletterwände waren Neuland, das „Know-how“ war spärlich und musste praktisch selbst erarbeitet werden. Es war dann ein kleiner Glücksfall, dass die Firma Art-Rock in Jenbach den Betrieb aufnahm, wir waren froh, einen Lieferanten für Griffe und Matten zu haben. Also entstand hier die erste „Boulderwand“ Tirols; die Eröffnung war im Rahmen einer kleinen Feier im Mai 1990.
Zum Begriff „Bouldern“: dieses Wort hatten wir damals noch nicht in unserem Sprachgebrauch, gemeint ist damit das Klettern ohne Seil an künstlichen Kletterwänden bis zur Absprunghöhe.
Die Kletterwand im Alpinheim wurde ein Renner, alle Altersklassen nahmen diese neue Trainingsstätte an, es wurden „Verhaltensregeln“ festgelegt, die großteils auch eingehalten wurden, in Sachen Reinigung musste aber doch hin und wieder nachgeholfen werden. Eines zeigte sich aber bald: eine senkrechte bzw. eine nur leicht überhängende Wand, das war zu wenig. Der Trend ging ins Horizontale, es wurde wieder umgebaut, die Kletterer hatten ihre Vorstellungen und verwirklichten sie.
Der Kletterturm in der Tourismusschule
Im Jahr 1992 kam eine neue Entwicklung in die Sportkletter-Szene in St. Johann. In der Aula der Tourismusschule entstand ein Kletterturm, und das ist eine eigene Geschichte. Christian Mariacher, der „Huaterer“, hatte die Idee, ob nicht in der neuen gemeinsamen Sporthalle von Bundesgymasium und Tourismusschule Platz wäre für eine Kletterwand mit ordentlichen Dimensionen, und er sprach mit den zuständigen Stellen beider Schulen. Vom Gymnasium kam sofort eine klare Absage. „Zu gefährlich!“ Hingegen kam von der Frau Direktor Mag. Ingrid Nachtmann von der Tourismusschule dann die Überlegung, einen Kletterturm in der Aula ihrer Schule zu errichten. Und siehe da – die Frau Direktor brachte ihren Plan bei den zuständigen Stellen in Wien durch, der Turm wurde von einem namhaften Künstler entworfen und professionell gebaut, die Sportkletterer hatten eine neue Trainingsstätte. Es wurde ein konkreter Benützungsplan vereinbart, man hat es ja nicht mit einem Vereinsheim, sondern immerhin mit einer Bundesschule zu tun. Auftretende kleinere Probleme wurden aber einvernehmlich gelöst; eines der Probleme war dabei z.B. das Pulver namens Magnesium, das die Kletterer zur Trockenhaltung der Hände verwenden und das die Eigenheit hat (no, na), dass es staubt. Man war aber allerseits bemüht, nicht zu viel Staub aufzuwirbeln.
Erster Kletterbewerb Tirols
Dann kam die Idee auf: wie wär’s mit einem Kletterbewerb für die Jugend. Sowas hat es in ganz Tirol noch nicht gegeben! Nach der Genehmigung durch die Schule gab es viele Stunden Planung, niemand hatte Erfahrung mit diesem neuen Metier. Bewertungsschema, Schiedsgericht, Sicherungspersonal, Verpflegung, Siegerehrung und Verschiedenes anderes waren die Themen. Ausgeschrieben für die AV-Jugend Tirols, kamen viele Anmeldungen zum ersten Bewerb im Herbst 1993, vor allem aus unserer Gegend und dem Unterland, über hundert! Als Aufwärmzone für die jungen Kletterer diente die Kletterwand im Alpinheim, der Bergrettungsbus war das Transportmittel für die Teilnehmer, über Funk wurde die nächste Teilnehmergruppe angefordert. Und unser erster Kletterbewerb Tirols war ein voller Erfolg. Knisternde Stimmung, große Begeisterung und viel Lob von der Landes-Jugendführung und vom Gesamt-ÖAV. Es gab also einige Jahre Tiroler Meisterschaften bei uns, später dann, als weitere größere Kletterwände in Tirol entstanden, wurde es ruhiger. Aber es wurden alljährlich Bewerbe im Vereins- und Bezirkskreis abgehalten, die guten Anklang fanden. Der Kletterturm in der Tourismusschule ist jetzt zwar Geschichte, aber es war aus heutiger Sicht eine epochale Sache!
Ein Weltmeister im Klettern
Eine sehr erfreuliche Nachricht kam im Sommer 1998 aus Moskau: unser Mitglied Alex Meikl wurde Junioren-Weltmeister im Sportklettern, im Vorstieg bewältigte er – wie wir den AV-Mitteilungen 1999 entnehmen – die doppelte Distanz wie seine starken Konkurrenten. Für den Verein war die Freude natürlich riesengroß, Alex wurde öffentlich im Rahmen eines Platzkonzerts von Seiten der Gemeinde und des Landes Tirol durch unseren Bürgermeister Josef Grander und den Tiroler Sport-Landesrat Fritz Astl und dann noch in der „Post“ im Freundes- und Vereinskreis geehrt und gefeiert. Tolle zahlreiche nationale und internationale Platzierungen durch unsere jungen Sportkletterer folgten, sehr zur Freude des Vereins und der zahlreichen engagierten Betreuer und Trainer innerhalb des Kletterteams Wilder Kaiser.
Nächster großer Schritt: die Boulderhalle
Bei der Hauptversammlung 2010 sprach Bürgermeister Grander die Absicht aus, für den AV als größten Verein St. Johanns etwas zu tun, wenn es Pläne gäbe. Der damalige Obmann Andrä Dötlinger beriet sich mit einigen Vertrauten, und der Ruf nach einer Boulderhalle wurde laut. Es wurde intensiv geplant, man besuchte Boulderhallen in Hallein, München und Bozen. Der Platz beim Koasastadion bot sich an für die Boulderhalle und das Jugendzentrum, es war Neuland für Obmann und Ausschuss und kein leichter Weg bis zur Verwirklichung
und auch die Zeit danach.
Die Eröffnung und Einweihung im Spätherbst 2015 war dann ein Festtag für den Verein, die gute Annahme der Boulderhalle bestätigt die Wichtigkeit und die Richtigkeit des großen Vorhabens.
Horst Eder