Christoph Holz über KI und die Zukunft der Arbeit

In den letzten beiden Ausgaben hat Christoph Holz mit uns sein Wissen über Digitalisierung und KI, Künstliche Intelligenz, geteilt. Diesmal geht es konkret um die Arbeitswelt. Dass KI viele Jobs verändern wird, steht fest. Die Verunsicherung ist entsprechend groß. Wie sieht Christoph Holz, Informatiker, KI-Spezialist und erfolgreicher Keynote-Speaker, dieses Thema?
„Positiv!“, sagt Christoph ohne Umschweife mit einem breiten Lächeln. KI wird die Arbeitswelt massiv verändern, und damit unser aller Welt, soviel steht für ihn fest. Medizinstudierenden werde­ zum Beispiel bereits jetzt angeraten, sich nicht auf die klassische Radiologie zu spezialisieren, denn hier werde der Mensch schon bald von KI abgelöst, erzählt Christoph. „Gott sei Dank ist das so“, lautet sein Statement dazu. Das menschliche Gehirn sei nun einmal nicht dafür gemacht, riesige Bilder und eine Unmenge von Informationen zu verarbeiten. „Es ist nicht gut bei Fehlersuchbildern. Darum werden in einer Tageszeitung nie alle Tippfehler gefunden, ein Computer ist da viel besser.“ Das menschliche Erinnerungsvermögen sei auch nicht in der Lage, auf hunderttausende wissenschaftliche Abhandlungen und ebenso viele Diagnosen zurückzugreifen, wie es die KI beispielsweise­ für den Dermatologen/die Dermatologin tut. „Ein Mensch müsste jahrzehntelang lesen und sich an jede einzelne Seite erinnern, um sich dieselbe Datenmenge anzueignen.“ Das sei natürlich unmöglich, so Christoph. In diesem Bereich seien uns übrigens die Schimpansen überlegen, sie sind auch besser im „Memory“-Spielen, weiß der 57-jährige St. Johanner. Weil sie ihr Gehirn darauf trainiert haben, Nahrung in den Bäumen zu erkennen. Der Mensch jedoch hat die entsprechende Region für etwas anderes verwendet: für die Sprache.

Bekommt der Tesla Garagenverbot?

Doch zurück zur Arbeit: Unsere Vorfahren haben einst in den Fabriken der Neuzeit an Hochöfen und in Fertigungshallen unter unmenschlichen Bedingungen 80 Stunden pro Woche geschuftet. Heute übernehmen Maschinen den größten Teil dieser Schwerstarbeit. Warum? Weil der Mensch nicht dafür gemacht ist. „Immer, wenn man eine Arbeit automatisieren kann, ist das ein Hinweis darauf, dass sie eigentlich nicht den Anlagen des Menschen entspricht“, sagt Christoph. „Es ist deshalb nicht schmerzvoll, wenn wir uns auf jene Tätigkeiten zurückziehen, die gut für uns sind.“
In einer Zeit, in der alles „Unmenschliche“ digitalisiert und von Maschinen übernommen wird – was bleibt dann übrig? „Der Mensch!“, so der Informatiker. Diese Tatsache werfe die spannende Frage auf, was der Mensch ist, wenn alles andere wegfällt. „Für mich hat das viel mit Empathie zu tun, mit Gespür für das Gegenüber. Dafür braucht es einen Körper, es braucht Spiegelneuronen, Erfahrung und mehr.“ Wenn man jemandem zusehe, der sich mit dem Hammer auf den Daumen haut, gehe das einem Menschen durch und durch, veranschaulicht Christoph. Diese Erfahrung des Mitgefühls werde KI wohl nie haben. Sie werde wohl auch niemals Eigenverantwortung übernehmen können – etwas ganz Wesentliches, das man nicht digitalisieren könne. „Wenn der autonom gesteuerte Tesla jemanden überfährt – muss er dann zwei Woche draußen parken?“, fragt Christoph lachend. Das bringe natürlich nichts. Es brauche weiterhin einen Menschen, der seine Unterschrift daruntersetzt, der Verantwortung übernimmt. Zum Beispiel einen Arzt, der die Diagnose durch eine zweite KI prüfen lässt und sie mit dem Patienten/der Patientin bespricht. Sehr einfühlsam, wenn es die Umstände erfordern. „Ich möchte nicht von einem Roboter meine Lebenserwartung vorgerechnet bekommen“, sagt Christoph. Der Mensch brauche in vielen Situationen einen anderen Menschen, der ihn durch schwierige Phasen begleitet. Der ihm rät, was er an seiner Stelle tun würde. Der mit ihm fühlt. „Dafür ist der Mensch da. Dafür ist der Arzt ein Arzt, die Ärztin Ärztin geworden.“ Und nicht, um sich den Rücken bei mehrstündigen Operationen und die Augen beim stundenlangen Betrachten von Röntgenbildern zu ruinieren. Christoph Holz hofft, dass durch den Einsatz von KI einiges an Ballast wegfallen wird und das Zwischenmenschliche bleibt. „Das ist doch eine sehr schöne Aussicht. In einer künstlichen Welt ist nichts wichtiger als die menschliche Beziehung.“

Ausprobieren, experimentieren!

Die Zivilisation, so Christoph, habe dem Menschen viele Krankheiten und Belastungen gebracht, Dauerstress verursacht in vielen Fällen Burnout und Herzinfarkt. Das heißt, dass unsere aktuelle Arbeitswelt im Prinzip nicht gut ist für uns. Wir haben sie bislang nicht in Frage gestellt, weil sie den meisten von uns Wohlstand brachte. „Wem es heute in Österreich am schlechtesten geht, dem geht es immer noch fünfzigmal besser als seinen Vorfahren vor 150 Jahren.“ Doch der Wohlstand habe eben seinen Preis – viele von uns seien gestresst und „fertig“. KI kann die Lösung sein, indem sie uns monotone Arbeiten abnimmt. Arbeiten, um die sich niemand reißt. In der Verwaltung. Im Büro. Im Bankenwesen. In der Medizin. In sehr vielen weiteren Bereichen.
Christoph beschäftigt sich viel mit KI, er hat keine Angst vor der Zukunft. Information sei wichtig, meint er. Und die Chancen zu erkennen, die die Entwicklungen mit sich bringen. Es gelte, sich neue Techniken lustvoll anzusehen, anzuschauen, auszuprobieren, zu experimentieren.
„Die Angst, die viele der KI gegenüber empfinden, ist ja nicht unbegründet. Sie ist nur nicht fundiert“, sagt Christoph. Er könne nicht garantieren, dass nicht alles schieflaufe. „Aber wenn ich beim Autofahren immer in den Straßengraben schaue, fahre ich da irgendwann runter.“ Uns als Opfer unserer Zeit zu sehen, bringe uns keinen Schritt weiter. Vielmehr sei es wichtig, die Möglichkeiten zu sehen und erkennen. Und unsere Kinder zu schützen. „Das Smartphone sollte kein Teil der Erziehung sein“, so Christoph, selbst zweifacher Vater. „Wir müssen dem Nachwuchs zeigen, wie es geht!“ Handyverbot? Klingt wie eine Kriegserklärung innerhalb der Familie. Ich denke, darüber sollten wir uns auch noch unterhalten …
Doris Martinz