Ein Gespräch mit Andreas Schramböck über Vaterschaft und warum die Gewalt sinkt, wenn Männer für ihre Kinder sorgen.
Der Vatertag steht an. Die Geschenke, mit denen Väter bedacht werden, sind wohl ungefähr dieselben wie vor 50 Jahren: Alkohol, Süßes, Krawatten. In manchen Ländern und Regionen heißt der Vatertag deshalb sogar „Krawattentag“. Geändert hat sich jedoch das Vaterbild, die Rolle der Väter in den Familien. Früher war der Mann der Ernährer, der abends müde von der Arbeit heimkam und am liebsten seine Ruhe hatte. Mit den Kindern befasste er sich, wenn überhaupt, am Wochenende. Heute erwartet man mehr von Vätern: dass sie sich aktiv in die Erziehung einbringen, Sorge tragen, Kinder fördern. Das ist zumindest mein Eindruck. „Ist das so mit den Vätern von heute?“, fragt mich Andreas Schramböck bei unserem Gespräch im Café Rainer und wirft mir einen skeptischen Blick zu. Er meint, man könne das nicht so pauschal sagen, es gebe nach wie vor viele Arten von Vaterschaft. Es gebe gewisse Strömungen und Väter, die sehr fortschrittlich und modern denken. Aber eben auch noch die „Klassiker“, die fast alles, was Kinder betrifft, der Mutter überlassen. „Auch das kommt mir unter.“
Andreas ist selbst nicht Vater, doch als Mitarbeiter der Männer-Beratungsstelle „Mannsbilder“ in Kitzbühel ist er fast täglich mit dem Thema konfrontiert. Er hat viel mit Vätern zu tun und kennt ihre Nöte, Freuden und Wünsche.
Seiner Erfahrung nach wollen sich viele von ihnen mittlerweile mehr einbringen, sie wollen ihre Vaterrolle intensiver ausleben und würden dafür gerne die wöchentliche Arbeitszeit reduzieren. „Aber da haben sie mit den Strukturen zu kämpfen“, weiß Andreas. Die Arbeitgeber:innenstruktur ist sehr traditionell ausgerichtet: Frauen gehen in Karenz, Männer am besten gar nicht oder sie nehmen hoffentlich nur den „Papa-Monat“. So bleibt alles beim Alten: Die Mama ist der „Gatekeeper“, sie hat den Überblick. Papa ist der „Vize-Praktikant“, dem man genau auf die Finger schaut.
Caring Masculinity
Psychoanalytiker Dr. Erich Lehner ist Obmann des Dachverbands der Männerarbeit in Österreich, er forscht im Bereich der „Caring Masculinity“, also an der Sorge-orientierten Männlichkeit. Jene leben Männer derzeit noch weniger in der Familie aus, sondern eher im Ehrenamt, zum Beispiel als Rettungssanitäter oder in Vereinen. Damit sie daheim die Kinder aktiv pflegen können, Windeln wechseln und Pflaster auf zerschundene Knie kleben, müssen Vater und Mutter daheim zuerst auf dieselbe Ebene gebracht werden. Das ist sehr oft noch nicht der Fall. Das bedeutet, dass sich Mütter zu einem Teil aus der Kinderbetreuung zurückziehen und sich vermehrt dem Job zuwenden müssten. Und Väter im Job kürzertreten und mehr Zeit der Familie widmen. Aber darauf sind die gesellschaftlichen und betrieblichen Strukturen in unseren Breitengraden noch nicht ausgerichtet. „Die Führungskräfte gehören ausgebildet, man muss Karenz-Management betreiben“, sagt Andreas. Das heißt, es braucht eine proaktive und umfassende Auseinandersetzung mit Karenz und Wiedereinstieg – für weibliche und männliche Arbeitende gleichermaßen. „Wenn das von den Führungskräften nicht nur als Last gesehen wird, sondern als Chance, könnten Betriebe zufriedenere Mitarbeiter:innen bekommen“, so Andreas.
Im Prinzip sollte es schon heute so sein, dass für einen Job die passende Person eingestellt wird – egal, ob sie weiblich oder männlich ist. Wenn sie jung ist, müssen Unternehmer:innen damit rechnen, dass die Person in Karenz geht. Daran müssen wir uns gewöhnen. Denn nicht nur Frauen gründen eine Familie – Männer tun es ebenso. In Skandinavien ist diese Sichtweise seit Jahrzehnten selbstverständlich. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind aber auch in Österreich längst gegeben.
„Caring“ gegen Gewalt
Forschungen zeigen, dass beim skandinavischen Modell, in dem Männer im selben Maße wie Frauen ihre Kinder versorgen und Care-Arbeit leisten, die Gewalt in Familien generell abnimmt. Auch Trennungen verlaufen harmonischer und respektvoller ab: Weil Männer mehr Verständnis für ihre Partnerin aufbringen – weil sie sich in derselben Welt bewegen.
Traditionelle Männlichkeit ist bei uns geprägt von Dominanz, Wettbewerb und Hierarchien. Das Wirtschaftssystem ist sehr männlich gefärbt, darum fühlen sich viele Frauen in Führungspositionen nicht wohl. Wenn sich Väter vermehrt um ihre Kinder kümmern, nimmt diese männliche Prägung ab. Frauen werden dann stärker an die Spitze in Unternehmen zu finden sein.
Viele junge Väter sind bereit dazu: Sie wollen mehr Zeit mit dem Nachwuchs verbringen und auch „Care-Arbeit“ leisten, für ihre Kinder da sein. Besonders gut sei das bei Trennungen zu beobachten, so Andreas. Die Männer fordern ihre Rechte heute stärker ein, als das früher der Fall war. Sie wollen mehr Zeit mit den Kindern, mehr Information und Mitsprache.
Grundsätzlich, so Andreas, sollten Väter nicht nur ein Recht auf Karenz haben, sondern auch ein Recht auf Kinderbetreuung. Eine Studie besage, dass die Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 26 Stunden einen signifikant positiven Einfluss auf die Care-Arbeit in der Familie habe. „Wenn beide Elternteile auf 26 Stunden reduzieren, braucht es aber noch mehr Kinderbetreuungsplätze“, weiß Andreas Schramböck. Das ist richtig, denn nicht jede Familie hat Großeltern, die ihre Enkel:innen mitbetreuen (können).
Es gibt also noch viel zu tun, damit alle Väter, die es wollen, noch weitaus mehr für ihre Kinder da sein können. Wenn Väter – wie Mütter – beruflich zurücktreten, brauchen sie auch weniger Krawatten. Dann ist der Vatertag vielleicht wieder überall einfach nur der Vatertag.
Doris Martinz