Die Ellmauerin Astrid Leitner hat eine Petition für Menschen mit besonderen Bedürfnissen gestartet.

Sie ist sonst keine, die gerne auf Konfrontation aus ist, ganz im Gegenteil. Als Buchhalterin widmet sie sich gerne ihren Zahlen, sie liebt Struktur und Harmonie. Im Herbst 2023 platzte ihr dennoch der Kragen. Sie wusste, sie musste etwas unternehmen. Für ihren Sohn Peter, für die ganze Familie, für alle betroffenen Familien. Grund dafür waren drei Umstände:
Zuerst war da die Sache mit Peters „Taschengeld“: Peter ist 22 Jahre alt und lebt mit Downsyndrom. Er arbeitet seit 2018 im „Kulinarium“ in Kitzbühel, einer Tagesstruktur-Einrichtung des Diakoniewerks, in der Küche. Die geschützte Arbeitsstätte liefert täglich zirka 350 Mahlzeiten an „Essen auf Rädern“, Schulen und Firmen und übernimmt Catering-Aufträge. Der Job gefällt Peter gut, er fühlt sich wohl an seinem Arbeitsplatz. Für seinen Einsatz auf Basis Vollzeit mit fünf Wochen Urlaub im Jahr erhält er ein monatliches Taschengeld in der Höhe von aktuell 100,– Euro pro Monat. Es wurde zuletzt jährlich um 5,– Euro erhöht, 2023 nicht. Auf Astrids Nachfrage hieß es, ein großer Auftrag sei storniert worden, deshalb falle für Peter und die anderen acht Klient:innen die Erhöhung aus. Nun machen fünf Euro keinen großen Unterschied, möchte man meinen. Doch Astrid geht es ums Prinzip: „Da geht es um Anerkennung, um Wertschätzung.“ Dazu muss man wissen, dass es für Beschäftigte wie Peter keinen Kollektivvertrag gibt. Sie sind immer bei den Eltern mitversichert und haben keinen Anspruch auf eine eigene Kranken- oder Pensionsversicherung. Dafür, dass Peter im Kulinarium zur Arbeit gehen darf, bezahlen seine Eltern monatlich 340,- Euro an das Land Tirol, das wiederum das Kulinarium unterstützt. Ein System, das man nicht ohne Weiteres verstehen muss und kann. Als Astrid an der zuständigen Stelle beim Land nachfragte, hieß es, dass sie Peters Taschengeld einziehen und mit den Kosten für den Arbeitsplatz gegenverrechnen solle, wenn die Ausgaben für die Familie zu hoch erscheinen. „Ich traute meinen Ohren nicht. Peter ist unternehmungs- und reiselustig. Wenn er mit seiner Betreuerin einmal im Jahr drei Tage unterwegs ist, muss er zwei Monate dafür arbeiten“, so Astrid. „Und dann soll ich ihm auch noch das bisschen Geld abnehmen, das er verdient?“

Das Fass läuft über

Peter benötigt zusätzlich zu den schulmedizinischen immer wieder auch alternativmedizinische Behandlungen. Die Kosten für letztere wurden bislang von der österreichischen Gesundheitskasse übernommen, 2023 nicht mehr – Sparmaßnahmen. Das war der zweite Punkt, der Astrid zu schaffen machte. Der dritte folgte gleich darauf:
Peter ist recht selbständig und soll einmal möglichst eigenständig leben können. Deshalb fragte Astrid im Nachbarort Scheffau an, ob man ihn auf die Warteliste für betreutes Wohnen setzen könne. Die Antwort: „Geht nicht, betreutes Wohnen ist eine Vorstufe für das Altenwohnheim und deshalb nur für betagte Menschen vorgesehen.“ „Und wie soll Peter, wie sollen Menschen wie er eines Tages wohnen und leben, wenn wir Eltern nicht mehr sind?“, fragt mich Astrid bei unserem Gespräch. Es war der Punkt, der das Fass im Herbst 2023 zum Überlaufen brachte. Im November rief sie eine Petition ins Leben mit dem Titel „Lohn statt Taschengeld für Menschen mit Behinderung!“ Der Erfolg der Aktion überraschte sie selbst, sie traf wohl einen Nerv in vielen betroffenen Familien: Innerhalb weniger Wochen konnte sie 5.000 Unterschriften sammeln, die sie an das Land Tirol und an das zuständige Ministerium in Wien sandte. Zusammen mit der Forderung nach angemessener Entlohnung, der Möglichkeit des Wechsels zwischen einem regulären und einem gestützten Arbeitsplatz – und vor allem einer eigenen Kranken- und Pensionsversicherung für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. In Kärnten läuft bereits ein entsprechendes Pilotprojekt, „die übrigen Bundesländer müssen nachziehen“, sagt Astrid. Ihr und ihrem Mann Georg geht es nicht ums Geld, sondern um faire Chancen für ihren Sohn – auch dann, wenn Mama und Papa einmal nicht mehr für ihn sorgen können. Die Diakonie unterstützt die Forderungen. Und es scheint so, als würde in Land und Bund wirklich Bewegung in die Thematik kommen. Wir berichten weiter und wünschen Astrid inzwischen alles Gute und viel Kraft und Energie!

Doris Martinz

 

Zur Petition:
Lohn statt Taschengeld bei Behinderten!
Gleich unterzeichnen!