Wie aus einem Spaß-Video mit dem Enkel ein erfolgreicher Koch-Kanal auf YouTube und dann auch noch ein Kochbuch wurde.
Hallo und herzlich willkommen bei der Küchenhexe“, begrüßt Anni Oberlechner ihr Publikum auf YouTube. Sie hat ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, trägt ein Shirt und darüber ihre orangefarbene Küchenschürze mit dem Hexenhut drauf – und legt gleich los: Wie zu sehen ist, hat sie für das Gericht „Raffiniertes herbstliches Ofengemüse“ schon buntes Gemüse vorbereitet und erklärt nun Schritt für Schritt die Zubereitung. Sie spricht Dialekt; ihre Küche wurde nicht für TV- oder Social-Media-Produktionen designt, sondern beweist sich offensichtlich seit vielen Jahren im Familienalltag. Hier, in ihrem Reich, lässt sie sich von ihren mittlerweile zirka 12.000 „Abonnent:innen“ über die Schulter schauen, sie schneidet Gemüse und zerlegt Fleisch, sie brät und dämpft, siedet und bäckt. Und steckt alle mit ihrer Leidenschaft für das Kochen an.
Aufgewachsen ist die 55-Jährige auf dem Bergbauernhof und Gasthaus Hochlechen in Söll. Als Kind liebte sie es, dem Vater beim Butterrühren zuzusehen. „Der Geruch, das Sahnige, das sind für mich ganz präsente Erinnerungen.“ Die Mutter kochte nicht nur für die Familie, sondern auch für die Gäste des Gasthauses. Schon früh ging Anni ihr zur Hand, entwickelte so ihre Passion und wurde Köchin.
Ein herzhaftes Stück Fleisch, ein frischer Salatkopf vom St. Johanner Wochenmarkt: „Das ist für mich einfach Genuss, da bekomme ich direkt eine Ganslhaut!“, sagt sie bei unserem Gespräch bei ihr Zuhause in St. Johann.
Es wäre für sie keine Strafe, würde ich sie um drei Uhr morgens wecken und verlangen, dass sie irgendwas für mich zubereitet, meint sie. „Kochen ist keine Arbeit, es ist Vergnügen!“
Kochen ist „daheim“
Seit 33 Jahren lebt sie mit ihrem Mann Günther in der Marktgemeinde und arbeitet mittlerweile als Haushälterin in Kitzbühel. Das Kochen für ihre Lieben ist für sie immer noch wichtig: „Gutes Essen, das ist ,daheim‘, das ist wohlfühlen und Familie.“ Am liebsten bereitet sie für viele Leute „Blattl und Kiachl mit Gerstlsuppe“ zu. Und als Nachspeise gibt’s Kürbiseis. Dazu lassen sich alle gerne einladen.
Sohn „Nik“ (Nikolaus) wohnt mit seiner Frau Betty und den Söhnen Lukas und David gleich nebenan. Mit David, Annis inzwischen achtjährigem Enkel, hat vor zwei Jahren – mitten im Corona-Lockdown – alles angefangen: Um sich die Zeit zu vertreiben, kochte David mit seiner Oma Grießnockerl und filmte das Ganze mit dem Handy. „Ein Traumfilm, so lustig!“, erinnert sich Anni lachend. Sein Bruder Lukas (heute 13 Jahre alt) versuchte sich an „Daumnidei“, die gemeinsame Koch-Aktion wurde ebenfalls auf Video festgehalten. Die beiden Filme schickte man in der Verwandtschaft herum, sie stießen auf viel Begeisterung. Eine Tatsache, die Annis Mann Günther auf den Plan rief. Günther sitzt gerne vor dem Computer, er filmt und fotografiert auch gerne. Und er hatte schließlich die Idee, für Anni einen Kochkanal auf YouTube zu eröffnen. Da seine Frau mit Vorliebe in Haus und Garten kleine Hexen dekoriert, lag der Name des Kanals auf der Hand, die „Küchenhexe“ war geboren.
Rezepte und Tipps
Es dauerte, bis die ersten hundert Abonnent:innen des Kanals gewonnen waren, aber dann wurden es schnell mehr. Anni kocht quer durch alle Kategorien: vom Salat bis zum Dessert. Alle Gerichte sind „machbar“, exotische Zutaten verwendet sie nicht, sondern vorzugsweise Produkte aus der Region. Zum Rezept gibt’s Tipps und Ratschläge.
Anni ist nicht unbedingt der Typ, der das Rampenlicht sucht. „Mich hinzustellen und vor der Kamera zu sprechen, das war am Anfang schon schwierig für mich“, gesteht sie. Sie sei unsicher und gehemmt gewesen, es habe viele Wiederholungen gebraucht, bis ein Video „im Kasten“ war. Heute geht es viel leichter. Dass Anni kein TV-Profi ist, merkt man aber noch – und genau das macht den Reiz aus, die Videos so authentisch und die Küchenhexe so sympathisch.
Günther ist Annis „Manager“, die beiden sind ein gutes Team. „So etwas geht nur gemeinsam“, bestätigt Günther. Er hat die „Ortswärme“ mit aufgebaut und ist seit ein paar Jahren im Ruhestand. Oder eben auch nicht, denn die „Küchenhexe“ hält ihn auf Trab. Er lernt noch immer gerne Neues dazu: Übers Internet, über YouTube, über Food-Fotografie.
Hexe trifft Schelle
Heuer im Februar brachte der Verlag Tyrolia Annis erstes Buch heraus: Es trägt den Titel „Kocht’s mit uns!“ und enthält 100 wunderbar einfache Rezepte. Das Buch war nicht Annis Idee: „Anita hat das Ganze angezettelt“, sagt Anni und lacht. Mit Anita ist Anita Brunner gemeint, die „Küchenschelle“ aus Kitzbühel, die schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich ihren eigenen Koch-Kanal auf YouTube betreibt – ebenfalls von ihrem Mann, Fritz, unterstützt. Die beiden empfehlen sich gegenseitig, drehten bereits so manches Video gemeinsam, geben gemeinsam Kochkurse. Das gemeinsame Buch war eigentlich eine logische Schlussfolgerung das Konzept der beiden YouTuberinnen überzeugte das Verlagsteam bei Tyrolia auf Anhieb. Jede der beiden Küchenkoryphäen stellt im Buch ihre Lieblingsrezepte vor, ein QR-Code führt zum entsprechenden Video.
Kommt als nächstes der gemeinsame TV-Kochkanal? „Nein, um Himmels Willen!“, winkt Anni ab. Sie und Anita freuen sich auf ihren Kanälen über jeden netten Kommentar, das reiche. Und was ist mit den nicht so netten Kommentaren, die es – selten aber doch – auch gibt? „Damit muss man umgehen lernen“, meint die Küchenhexe, das dürfe man nicht zu persönlich nehmen.
Es geht nicht ums Geld
Mit der wachsenden Anzahl an Abonnent:innen wachsen auch die Einnahmen, die über den Koch-Kanal hereinkommen, man verdient durch Werbeeinschaltungen: „Wenn jemand das Video sehen will, kommt ein Werbespot, den man nach ein paar Sekunden überspringen kann.“ Die Küchenhexe betreibt ihren Kanal aber nicht des Geldes wegen, denn reich wird sie damit wohl nicht. Zumal sie – wie die Küchenschelle – darauf verzichtet, in ihren Videos für Küchengeräte oder anderes zu werben. „Uns geht’s ums Kochen und darum, die Leute dazu zu bringen, für sich selbst und ihre Lieben gute, frische Lebensmittel zuzubereiten und auch noch Spaß dabei zu haben – wie wir!“
Natürlich habe ich ein Gericht der Küchenhexe nachgekocht – das schon erwähnte Herbstgemüse. Es schmeckt einfach köstlich und hat einen fixen Platz in der Rezeptliste meiner Familie bekommen. Richtig lustig ist das Video, wenn man die Untertitel anklickt. Da Anni Dialekt spricht, gibt es die Möglichkeit, deutsche Untertitel zu wählen. Annis Ansage, dass sie nun den Blumenkohl in kleine „Stückerln“ schneidet, übersetzt YouTube mit „ich schneide den Blumenkohl ins Spital“. Nicht nur für Genuss, auch für Unterhaltung ist auf Annis Kanal gesorgt. Viel Spaß!
Doris Martinz
Rezept: Deftiger Käseschmarrn
bzw. pikanter Kaiserschmarrn ist ein herrliches Gericht. Wenn man dazu einen frischen, köstlichen Salat serviert, kann keiner widerstehen.
Rezept für 2 Personen:
3 EL Mehl
Salz, Muskat
ca. 100 g würzigen klein gewürfelten Käse
1 gekochte passierte Kartoffel
100 g Topfen
2 Eier trennen
3–4 EL Milch
1–2 EL Butter zum Ausbacken
Bei 185 °C Heißluft ca. 10–15 Minuten backen
Für das Topping:
100 g Speck gewürfelt
1–2 Stangen Frühlingszwiebeln
Für den Salat:
1/2 Kopf Endiviensalat, 2 Frühlingszwiebeln, 4 Radieschen, 1 Apfel
100 ml Sonnenblumenöl, 80 ml Apfelessig, 100 ml Apfelsaft,
1 TL Senf, 1 TL Meerrettich, Salz, Pfeffer
Zubereitung Käseschmarrn:
Mehl, Salz, Dotter, Topfen, Milch, die gekochte passierte Kartoffel, klein würfelig geschnittenen Käse und Muskatnuss mit dem Handmixer gut verrühren. Eiweiß mit einer Prise Salz steif schlagen und unter die Masse heben. Am besten eine beschichtete Pfanne mit 1 EL Butter erhitzen, aber nicht zu heiß, die Schmarrnmasse in die Pfanne geben und 2–3 Minuten anbacken lassen.
Die Pfanne in den vorgeheizten Backofen geben und ca. 10– 15 Minuten backen. Anschließend die Pfanne wieder kurz auf den Herd stellen, den Schmarrn wenden und mit dem Pfannenwender in Stücke reißen.
Für das Topping die Speckwürfel leicht anrösten und mit den Frühlingszwiebeln auf den Schmarrn geben.
Für den Salat den Endivienkopf schneiden, waschen und aus den restlichen Zutaten ein Dressing anrühren.
Ich wünsche euch gutes Gelingen und viel Spaß beim Nachmachen, eure „Küchenhexe“ Anni Oberlechner