„Regionskind“ Martina Foidl über ihren neuen Job, ihren zweiten Geburtstag, EIN Weihnachtsschnapserl und mehr.
Annehmen – oder nicht? Vor dieser Entscheidung stand Martina Foidl vor ein paar Monaten, als man ihr das Angebot machte, die Nachfolge von Gernot Riedel als Geschäftsführerin des TVB St. Johann – Oberndorf – Kirchdorf –Erpfendorf anzutreten. Sie war bereits seine Stellvertreterin gewesen. Dass sie ihren neuen Arbeitsvertrag nach reiflicher Überlegung unterschrieb, hat mehrere Gründe. Die wichtigsten: „Die Marketinglinie rund um St. Johann als „Glücksregion“ und „Mein Yapadu“ ist jetzt bei den Betrieben angekommen und beginnt zu greifen. Wenn jemand von außen kommt, macht der- oder diejenige meist bald etwas Neues, das hätte wahrscheinlich das Aus für „Mein Yapadu“ bedeutet. Meist kommt es dann auch intern zu einigen Wechseln, es geht viel Wissen verloren. Das alles hätte ich sehr schade gefunden. Es wird nun Anpassungen geben, aber keine tiefgreifenden Änderungen.“
Einen Fokus will die 36-jährige Kirchdorferin in Zukunft auf die touristische Produktgestaltung legen. Und sie wünscht sich, dass sich die Menschen in den drei Gemeinden bzw. vier Orten verbundener fühlen. „Ich bin ja selbst ein Regionskind“, sagt sie mit Augenzwinkern. „Meine Mama kommt aus St. Johann, mein Papa ist Kirchdorfer. „Eine Region sind wir erst, wenn ein Kirchdorfer oder Erpfendorfer über die Bergbahn St. Johann sagt: Das ist unsere Bergbahn“, sagte einmal die Landesbäuerin und Vize-Landwirtschaftskammer-Präsidentin Helga Brunnschmid, die neue TVB-Chefin sieht das genauso. Jeder der vier Orte habe eine eigene Identität und seine Stärken, die es herauszustreichen gelte. „In Summe sind wir die Region.“
Auf die harte Tour
Martina Foidl studierte Wirtschaftsrecht in Innsbruck und ist seit zehn Jahren beim TVB beschäftigt. Es hätten sich ihr nach Abschluss des Studiums vielleicht andere, besser dotierte Jobs angeboten. Aber: „Am Ende des Tages gibt es mehr als das, was zwischen Daumen und Zeigefinger liegt“, sagt sie. Im Sommer mit dem Rad in die Arbeit fahren zu können, bedeute für sie Lebensqualität. Dass Geld und Materielles nicht alles sind, diese Erfahrung gewann Martina Foidl schon früh – und zwar auf die „harte Tour“: Im Alter von 21 Jahren erkrankte sie an Krebs und musste sowohl Chemo- als auch Bestrahlungstherapien über sich ergehen lassen. „Gemüse“ nannte man sie auf der Onkologie, weil sie die jüngste dort war. Den Tag, an dem die Behandlung nach sieben Monaten erfolgreich abgeschlossen wurde, feiert sie als ihren zweiten Geburtstag. Kurz nach ihrer Genesung flog sie mit einer Freundin (und einem durch die Therapien stark geschwächten Immunsystem) für ein paar Wochen nach Australien – eine horrende Vorstellung für Ärzte und Familie, ein Befreiungsschlag für sie selbst. Zum Glück ging alles gut. Die Erkrankung veränderte sie, machte sie stärker: „Es gibt Situationen, da denkt man sich, die Welt geht nicht unter, es gibt Wichtigeres. Aber natürlich funktioniert das nicht immer mit allen Kleinigkeiten im Alltag“, sagt sie und lacht. Seit zwanzig Jahren ist Andreas Reiter der Mann an ihrer Seite, die beiden leben in Kirchdorf.
Das richtige Instrument
Schon immer war es Martina Foidl ein Anliegen, sich in der Heimat einzubringen und sie mitzugestalten. „Ich verzupfe mich nicht, wenn es um Verantwortung geht.“ Sie war Landjugend-Ortsleiterin, sie spielt seit mehr als zwanzig Jahren in der Musikkapelle Kirchdorf in den Registern Trompete oder Flügelhorn mit und nahm kürzlich nach mehr als sieben Jahren ihren Abschied als Gemeinderätin – die Funktion ist für sie nicht mit ihrem neuen Job vereinbar. Kein leichter Schritt: „Der Gemeinderat wird mir fehlen. Ich werde versuchen, das Verbindende, das dort gefragt ist, jetzt im TVB einzubringen.“
Zurück zur Musik: Ihr erstes Instrument war die Gitarre, die Erfolge in der Musikschule als Kind und Jugendliche überschaubar. Ihr Lehrer meinte sogar, es sei nicht all zuweit her mit ihrer Musikalität. Besser lief es dann aber mit dem Flügelhorn, mit dem sie das goldene Leistungsabzeichen ablegte. „Es lag also wohl am Instrument“, sagt Martina Foidl mit einem spitzbübischen Lächeln. Mit ihrer Schwester Christina trifft sie sich gerne zum „Weisenblasen“, zum Beispiel auf der Alm der Eltern. Als Mitglied der Weihnachtsbläsergruppe gestaltet sie jedes Jahr die Christmette in Kirchdorf mit und spielt dabei vom Balkon des ehemaligen Gasthofs Wintersteller herunter. Danach gibt’s ein Weihnachtsschnapserl mit dem Hausmeister.
Auch Bestattungen umrahmt die neue TVB-Chefin gemeinsam mit ihrer Schwester. „Das ist schon eine große Ehre“, sagt Foidl. „Wenn man angefragt wird, schaut man, dass man den Terminkalender so umgestaltet, dass man den Wunsch erfüllen kann.“ Es gibt aber auch viele Ausrückungen, bei denen es lustig und lebensfroh zugeht – Martina ist nach Möglichkeit mit dabei.
Als zweitältestes von insgesamt vier Kindern beim Huber Bauern in Kirchdorf aufgewachsen, sind ihr die Traditionen und Bräuche der Region in die Wiege gelegt. Und auch die Arbeit: Schon als Kind hieß es selbstverständlich mithelfen im Stall, auf dem Feld und auf der bewirtschafteten Alm. Noch heute ist sie in das Geschehen auf dem heimatlichen Hof eingebunden: Im Sommer kommt es vor, dass der Vater anruft und bittet, sie möge mit dem „Schwader“ ausrücken oder mit dem „Wickler“ (für die Silage) fahren. Wie wird das in Zukunft sein? „Das wird sich weisen“, meint Martina Foidl diplomatisch. Nach Möglichkeit will sie weiter aushelfen, auch auf der Alm: „Mir taugt das, wenn ich am Ende des Tages einen Stapel Bons abgearbeitet habe.“
Fokus auf das Positive
Martina Foidl freut sich über den neuen Schwung, der sich in der Region abzeichnet. Überall poppen nun wieder Gastronomen und Hoteliers auf die eine Zukunft in ihrer Branche sehen und den Mut haben, sich den Herausforderungen zu stellen. Es wird wieder investiert. „Auch das muss man sehen, und nicht nur über einen Bettenschwund klagen“, so die neue Geschäftsführerin. Sie hält es bei der Sicht der Dinge wie ihr Opa, der immer sagte: „Du kannst den Blick auf das Negative richten, das zieht dich runter. Oder du schaust auf das, was gut ist, und bist motiviert.“
Das gelte auch für die Bergbahn. „Jede und jeder Einheimische sollte, bevor er oder sie über die Liftanlagen schimpft, in unserem Gebiet Skifahren gehen. Die Pisten sind absolut top, der Blick in die Landschaft mit dem Wilden Kaiser ist wunderschön. Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, dass die Gondel Sitzheizung und WLAN hat. Es kommt auf die Perspektive an, die man einnimmt. Ich denke, wir alle können uns glücklich schätzen, in einer so schönen und lebenswerten Region leben und auch arbeiten zu dürfen.“
Aufgrund ihrer Herkunft weiß Martina Foidl um die Bedeutung der Landwirte im Tourismus als Landschaftspfleger, Kulturträger und Lebensmittelproduzenten. „Die Bauern sind für uns genauso wichtige Stakeholder wie die Gastronomen oder Hoteliers, daran denkt man vielleicht noch zu wenig. Für viele touristische Projekte wie Pisten, Langlaufloipen oder Radwege braucht es auch die Kooperation mit den Grundstücksbesitzern, also meist den Bauern. Es braucht einen Konsens.“
Gutes Einvernehmen sollte auch im Team herrschen. Deshalb ist in diesen Tagen jedes Mitglied aufgefordert, sich zu überlegen, was die Mannschaft benötigt und in welche Richtung sich jede(r) einzelne entwickeln will.
Sie wünscht sich für die kommenden Jahre Harmonie im Team und konstruktive Zusammenarbeit mit allen Partnern in der Region. Das klingt recht bescheiden – aber nur auf den ersten Blick. Denn das funktionierende Miteinander ist die Basis dafür, dass alles andere gelingen kann.
Doris Martinz