Sophie Schmied und Carolina Chiavistrelli über Feminismus, Kinderkriegen und notwendiges Umdenken.

Social Media sei Dank: Über einen Kanal stieß ich auf die Nachricht, dass zwei junge St. Johannerinnen an der Spitze des Juvenilia Clubs in Wien stehen. Tiroler Frauenpower in der Bundeshauptstadt, wie cool! Ganz einfach war es nicht, einen Termin für ein echtes „Face-to-Face“ Gespräch zu finden, aber im Spätsommer klappte es endlich: Ich traf Sophie Schmied, 27 Jahre alt, Präsidentin des Vereins, und Carolina Chiavistrelli, 20 Jahre alt, Vizepräsidentin, daheim in St. Johann.

Worum geht es bei Juvenilia?

Im Prinzip ist es der Verein der „jungen Soroptimistinnen“, der Club setzt sich für Gleichberechtigung und -stellung von Mädchen und Frauen ein. Die Mitglieder (nein, nicht Mitgliederinnen) streben nach einer gerechten Welt, in der Mädchen und Frauen das Recht haben, selbstbestimmt, frei und in Würde zu leben.
Braucht es so eine Organisation in Österreich im dritten Jahrtausend denn überhaupt noch? „Ja!“, sagen Sophie und Carolina gleichzeitig, sie lachen.
An den Clubabenden geht es vorwiegend um Frauenthemen. Frauen, die aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen, tauschen sich aus, unterstützen sich, gewinnen neue Eindrücke durch Vorträge meist weiblicher Gäste. Auch Events werden veranstaltet, Charity gehört dazu. Ganz schön viel „Frauendings“. Das ist wahrscheinlich nicht nur manchen Männern suspekt? „Männer haben immer schon Vereine und Clubs gehabt, sie vernetzen sich seit Jahrtausenden. Wenn Frauen plötzlich dasselbe machen, soll das suspekt sein? Gerade weil viele so denken, braucht es Vereine wie Juvenilia“, sagt Sophie mit Nachdruck. Sie ist Lehrerin, schreibt gerade an ihrer Masterarbeit und arbeitet an einer Mittelschule in Wien. Sie hat viele Kolleginnen, die Pädagogik ist heute weiblich. Früher war das anders: Der „Herr Lehrer“ war – im Gegensatz zu heute – eine hoch geachtete Persönlichkeit. Sobald die Frauen den Bereich eroberten, sanken Image und Gehalt, wie andernorts auch (zum Beispiel beim Friseur). „In meinem Job spielt das Geschlecht heute keine Rolle, in vielen anderen Branchen ist das anders“, weiß Sophie. Zum Beispiel in der Baubranche.

Frauen müssen besser sein

Carolina studiert in Wien Architektur, diesen Sommer arbeitete sie im Betrieb ihres Vaters (Hanel Ingenieure). „Als Frau hat man es am Bau schwerer, obwohl mittlerweile mehr Frauen als Männer Architektur studieren“, so Carolina. Als angehende Architektin, noch dazu eher kleingewachsen, zart und mit blonden Haaren, müsse sie um vieles besser sein als ihre männlichen Kollegen, um akzeptiert zu werden, weiß sie. Dennoch gefällt ihr, was sie tut. „Männer trauen sich mehr zu und treten selbstbewusster auf, wir Frauen sollten es ihnen gleichtun“, sagt sie. Sophie stimmt ihr zu: „Männer machen einfach, und es gelingt ja auch oft. Wir Frauen wägen ab und versuchen, es möglichst allen recht zu machen. Daran müssen wir arbeiten.“ Diese Themen und viele mehr sind es, die die Club­abende füllen.
Bezeichnen sich Sophie und Carolina als Feministinnen? „Ja, schon“, sagt Sophie mit Blick auf Carolina, jene nickt zustimmend. Feminismus heiße ja nicht, so Sophie weiter, dass Frauen mehr wollen als Männer. „Wir wollen nur das Gleiche!“ „Vielleicht haben Männer, die das kritisieren, auch nur Angst, dass ihnen die Frauen über den Kopf wachsen“, so Carolina. In Wien seien die jungen Männer auf jeden Fall offener für Frauenthemen als in Tirol, sagt Carolina.

Frauen unter Druck

Sophie und Carolina sind derzeit „Single“, also in keiner festen Beziehung – wie so viele in ihrem Bekanntenkreis. Junge Frauen sind heute anspruchsvoller bei der Wahl ihres Partners. Sie müssen nicht – wie ihre Großmütter und zum Teil auch noch Mütter – auf die wirtschaftliche Versorgung durch einen Mann hoffen, sie sind finanziell unabhängig und damit auch selbstbewusster.
Und doch: Wenn alles passt, möchte Sophie früher oder später eine Familie gründen. Wobei es eher später werden wird: Zuerst will sie das Studium beenden und danach mindestens fünf Jahre arbeiten, damit sie einen Fixvertrag als Lehrerin bekommt. Sie wird dann Anfang/Mitte dreißig sein. „Viele Frauen mit guter Ausbildung bekommen Stress, wenn es um die Familiengründung geht. Man will ja beruflich bereits etwas erreicht haben, wenn die Kin-der kommen. Diesen Stress haben die Männer nicht“, sagt Carolina. Auch sie kann sich vorstellen, einmal Mann und Kinder zu haben. Ihren Beruf dafür aufzugeben, ist aber keine Option.

Arbeitgeber:innen müssen umdenken

Wenn Frauen eine gleich gute oder sogar bessere Ausbildung haben als Männer, werden sich Vater und Mutter die Betreuung ihres Kindes in Zukunft teilen wollen und müssen. Das braucht ein Umdenken bei den Arbeitgeber:innen. Carolina erzählt von einem beispielhaften Fall: „Eine Bekannte meiner Mama ist Chefin einer Firma. Eines Tages kam die Bewerbung eines jungen Mannes herein, der sagte, er wolle nicht in Vollzeit arbeiten, weil er zwei kleine Kinder habe. Damit stieß er bei der Firmenchefin auf völliges Unverständnis, obwohl sie ei-gentlich Feministin ist.“ Diese Geschichte macht klar: Wir alle müssen umdenken. Auch dafür setzt der Club Juvenilia sich ein.
Dass Frauen wieder „zurück an den Herd“ geschickt werden, wenn sie eine Familie gründen, ist ohnehin nicht mehr tragbar: Sie fehlen als Arbeitskräfte in den Unternehmen. „Außerdem“, so Sophie, „wie soll man sich das Leben und ein Kind leisten können, wenn es nur einen Verdiener oder eine Verdienerin in der Familie gibt?“
Obwohl diese Frage mehr als berechtigt ist, beobachten Sophie und Carolina auch den Trend, dass junge Frauen ihren Beruf für die Familie aus freien Stücken aufgeben wollen. „Man wünscht sich vielleicht die ,gute alte Zeit’ der 50er Jahre zurück, das traditionelle Familienbild, die Idylle. Man sehnt sich nach dieser Sicherheit“, vermutet Carolina. Mit Sicherheit hat diese Vorstellung im wirklichen Leben aber nichts zu tun, ganz im Gegenteil: Das Thema eines Vortrags im Club sei einmal die Altersarmut von Frauen gewesen, die daheim bei den Kindern blieben und sich später von ihrem Mann trennen, erzählt Sophie. Jene Frauen erhalten kaum Pension. Die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen auf solche Themen, ist auch eine Aufgabe des Clubs.
Für Sophie und Carolina ist das Thema kein brennendes: Beide haben von ihren Müttern vermittelt bekommen, dass finanzielle Unabhängigkeit oberstes Gebot ist.

Das Gespräch mit den beiden Juvenilia-Funktionärinnen macht klar: Es gibt noch viel zu tun an der „Frauenfront“. Dabei geht es nicht darum, den Männern etwas wegzunehmen, sondern ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Jedes Geschlecht hat seine Stärken und Schwächen, gemeinsam sind wir wirklich stark.

Doris Martinz